„Últimos Días en la Habana“, Kuba, 2016
Regie: Fernando Perez; Drehbuch: Fernando Pérez, Abel Rodríguez
Darsteller: Jorge Martinez, Patricio Wood
Sie sind Freunde, seit vielen, vielen Jahren schon, wohnen auch zusammen in einer kleinen, heruntergekommenen Wohnung in Havanna. Aber die gemeinsamen Tage sind gezählt für Miguel (Patricio Wood) und Diego (Jorge Martínez). Miguel träumt schon lange davon, endlich Kuba zu verlassen und in die USA auszuwandern. Diego hingegen kann kaum mehr sein Bett verlassen, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er seiner AIDS-Erkrankung erliegt. Die Zeit, die ihm noch bleibt, will der offen homosexuell lebende Diego aber noch bis zum Letzten auskosten. Auch deshalb geraten er und Miguel, der sämtliche Lebensfreude verloren und sich von den Menschen zurückgezogen hat, immer wieder aneinander.
Wenn zwei grundverschiedene Menschen in Filmen zusammenkommen, dann geschieht das meist zum Zweck der Komik – je größer der Kontrast ist, umso stärker darf und soll gelacht werden. Letzte Tage in Havanna beweist aber, dass es auch anders geht. An Unterschieden zwischen Miguel und Diego mangelt es nicht. Gesund vs. krank, ausgebrannt vs. lebenslustig, hetero vs. schwul. Scherze gibt es auch, Diego ist sich bis zuletzt für keinen Spruch zu schade. Und doch, so richtig zum Lachen ist einem hier nicht zumute.
Das Ende der Hoffnung
Viele Filme hat der kubanische Regisseur und Co-Autor Fernando Perez schon über seine Heimat gedreht, in der er bis heute lebt. Viel hat sich getan in dem mittelamerikanischen Land. Von Aufbruch ist in seinem aktuellen Drama dennoch nichts zu spüren. Stattdessen: Zeichen des Verfalls, überall. Wände, von denen der Putz herabfällt. Geländer, die schon zusammenbrechen, wenn man sie nur anschaut. Und auch auf der Straße würde man nicht unbedingt Erinnerungsfotos machen wollen.
Wenn wir denn mal die Straße sehen. Die meiste Zeit über bleiben wir in der Wohnung, die nicht viel, aber doch alles ist. Hier will Diego sterben. Hier will er Sex haben, ein letztes Mal. Ein Geburtstagsgeschenk. Träume und Realität, Leidenschaft und Einsamkeit, alles geht Hand in Hand. Nur eben ohne Ziel. Wie ein Gefangener fühlt man sich in Letzte Tage in Havanna, das durch seine starren Aufnahmen und den eingeschränkten Schauplatz oft wie eine Theaterbühne wirkt. Eine Maske trägt hier ohnehin jeder. Die eine ausdrucksstark, die andere weniger. Was in Miguel vor sich geht, ob da überhaupt noch etwas in ihm lebt, unmöglich zu sagen. Und dann wäre da noch der Stricher Pedro, der eigentlich eine Freundin hat und ein ganz anderes Leben haben will.
Die Zukunft findet woanders statt
Vielleicht wartet es ja auch wirklich da draußen. Auf dem Sessel eines Fahrradtaxis. Auf der Landkarte der USA, die in der Wohnung hängt und die Miguel jeden Abend anschaut, während er verzweifelt gegen sein geringes Sprachtalent ankämpft. Tellerwäscher ist er, der prototypische Beruf des American Dream. Aber es ist ein Traum, der sich selbst vergessen hat, eins geworden ist mit den verfallenden Häusern und Straßen. Eine Erinnerung an eine Zukunft, die nie eingetreten ist.
Viel passiert nicht in diesem Land der fehlenden Möglichkeiten. Man tut, was man kann, was man muss, um von einem Tag zum nächsten zu kommen. Immer wieder zeigt uns Perez anhand des Kalenders, dass sich etwas bewegt. Dass sich aber auch nichts bewegt. Am Ende bleibt die Sehnsucht, Trauer und Enttäuschung. Letzte Tage in Havanna lässt uns zweifeln, verzweifeln, aufgeben. Dabei braucht Perez nicht einmal das große Drama. Ein paar kunstvoll hässliche Bilder, ein Mann, der nicht mehr kann, einer, der nicht mehr will, viele Szenen des kleinen Scheiterns – und fertig ist einer der deprimierendsten Filme, die zuletzt im Kino gelaufen sind.
(Anzeige)