Licht
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„Licht“, Österreich/Deutschland, 2017
Regie: Barbara Albert; Drehbuch: Kathrin Resetarits; Musik: Lorenz Dangel
Darsteller: Maria Dragus, Devid Striesow

Licht
„Licht“ läuft ab 1. Februar 2018 im Kino

Von einem Tag zum nächsten war ihr Augenlicht auf einmal weg. Dafür entwickelte Maria Theresia Paradis (Maria Dragus) ein sehr gutes Gehör und auch musikalisches Talent, immer wieder erfreut sie Gäste mit ihren Darbietungen. Das allein reicht den Eltern aber nicht. Und so starten sie einen erneuten Versuch, ihre Tochter zu heilen. Dabei setzen sie alle Hoffnungen in den Arzt Franz Anton Mesmer (Devid Striesow), der sich mit sehr unkonventionellen Methoden einen Namen gemacht hat. Tatsächlich stellen sich nach einer Weile erste Erfolge ein, auch persönlich blüht Maria auf. Doch der Preis für diese Genesung ist hoch.

Es scheint irgendwie die Woche der ungewöhnlichen Künstlerporträts zu sein. Während die meisten Augen dabei auf Daniel Day-Lewis’ kuriose Abschiedsgala in Der seidene Faden gerichtet sein werden, startet zeitgleich im deutschen Kino mit Licht ein Film über eine junge Frau ohne Augen. Ein Film, der dabei aber deutlich mehr zu zeigen hat, zumindest auf der persönlichen Ebene. Und deutlich mehr zu sagen. „Wer nicht sieht, der wird nicht gesehen. Und wer nicht gesehen wird, der wird nicht gehört.“ Es ist einer der zentralen Sätze in dem Drama, das weit mehr ist als das Porträt der realen Maria Theresia Paradis, die trotz ihrer Erblindung gefeierte Konzerte in ganz Europa gab.

Eine junge Künstlerin als willenloses Objekt
In Licht ist sie davon jedoch noch ein gutes Stück entfernt. Konzerte gibt sie, jedoch eher im kleinen Kreis. Und gefeiert wird sie dafür auch nicht unbedingt. Während die einen brav applaudieren, stören sich andere an ihrem Aussehen oder der Haltung, sehen in ihr letztendlich nicht mehr als eine Kuriosität. Und das betrifft nicht nur das Publikum: Ob es nun ihre eigenen Ärzte sind oder auch die Ärzte, Maria darf nie mehr sein als ein Objekt. Was sie will, wer sie eigentlich ist, das interessiert niemanden.

Vor allem der Beginn des Dramas ist als Zuschauer nur schwer erträglich. Als ob ein inoffizieller Wettbewerb laufen würde, wer denn nun der widerwärtigste Mensch auf Gottes Erden ist, bestehen Dialoge fast ausschließlich aus Streitereien, Vorwürfen oder auch Beleidigungen. Nicht einmal Maria selbst punktet zunächst mit größeren Sympathiewerten. Beim Umgang mit dem Personal von Mesmer zeigt sie, dass sie zwar nach wie vor nicht sehen kann, sich aber doch bei ihrer Familie abgeschaut hat, dass man auch ohne Respekt vor anderen ganz gut durchs Leben kommt.

Individuelle vs. genormte Wahrnehmung
Interessanter wird es, wenn Maria im Rahmen ihrer Therapie Wertschätzung erfährt, sie sich auch einmal Gedanken darüber machen darf, wer sie eigentlich ist. Licht ist dabei weniger Künstlerporträt als vielmehr Darstellung eines Menschen, der sich in einer normativen Gesellschaft Gehör verschaffen will. Dass der Film Ende des 18. Jahrhunderts spielt, lässt ihn als eine Geschichte der damaligen Zeit erscheinen. Lässt man jedoch die Kostüme und die manchmal etwas eigentümliche Sprache weg, das Drama hätte genauso gut auch im hier und jetzt erzählt werden können. Die innerliche Entdeckungsreise der blinden Künstlerin, sie ist eben auch Plädoyer für Individualität und Selbstbestimmung. Themen, die nie aus der Mode kommen.

Dem schaut man gern zu, auch weil Maria Dragus (Tiger Girl, Töte mich) mal wieder beweist, dass sie eine der wandelbarsten und vielversprechendsten deutschen Nachwuchsschauspielerinnen ist. Zudem gibt Licht ein bisschen Anlass dazu, über unsere eigene Wahrnehmung nachzugrübeln. Wie viel von ihr gehört uns, wie viel ist uns vorgegeben? Können wir überhaupt noch unvoreingenommen etwas sehen, ohne es durch die Augen unserer Gesellschaft bzw. unseres Umfelds zu tun? Eine wirkliche Antwort darauf gibt die deutsch-österreichische Produktion nicht, die müssen wir ebenso suchen wie Maria. Dafür schenkt sie uns einige schöne Momente, mal komisch, dann bewegend, die auch über diese typischen Kostümbiopics hinaus ihre Wirkung zeigen.



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Seit frühester Kindheit blind wurde Maria Theresia Paradis dennoch zu einer anerkannten Klaviervirtuosin. „Licht“ handelt jedoch kaum von ihrer künstlerischen Karriere, sondern befasst sich vorrangig mit ihrer Jugend und einem kuriosen Heilungsverfahren. Das ist ganz unabhängig von Biografischem und Historischen sehenswert, da das Drama viel zu den Themen Wahrnehmung und Selbstbestimmung zu sagen hat.
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von 10