„Bamui Haebyeoneseo Honja“, Südkorea, 2017
Regie: Sang-soo Hong; Drehbuch: Sang-soo Hong
Darsteller: Min-hee Kim, Young-hwa Seo, Jae-young Jung, Hae-hyo Kwon, Seon-mi Son
Der Druck war einfach zu viel geworden für Young-hee (Min-Hee Kim): Als bekannt wurde, dass die junge Schauspielerin eine Affäre mit dem verheirateten Regisseur hat, dauert es nicht lange, bis sich die anderen das Maul zerreißen. Um dem zu entkommen, beschließt sie daher, erst einmal ihre Freundin in Hamburg zu besuchen – immer in der Hoffnung, dass ihr Liebhaber so wie versprochen ihr nachfolgt. Wieder zurück in ihrer Heimat trifft sie sich mit mehreren Freunden, um ihre Erfahrungen zu verarbeiten und ganz grundsätzlich darüber nachzudenken, was sie von ihrem Leben eigentlich will.
Ist das jetzt besonders mutig oder einfach nur dreist? Im Sommer 2016 kamen Gerüchte auf, dass Sang-soo Hong eine Affäre mit der Schauspielerin Min-hee Kim hat, mit er zuvor Right Now, Wrong Then gedreht hatte. Und wie reagiert der südkoreanische Regisseur? Er dreht einen Film über eine Schauspielerin, von Kim verkörpert, die eine Affäre mit einem Regisseur hat. Wo andere dem Skandal zu entkommen versuchten, da nimmt er das Thema dankbar auf. Pikant dabei: Inzwischen wurde von dem verheirateten Hong bestätigt, dass sie tatsächlich eine Affäre haben. Bei so gut wie jedem anderen Filmemacher wäre das undenkbar gewesen. Bei Hong hingegen ist das irgendwie typisch.
Zwischen Banalität und Tiefsinn
Filme und Liebe, das sind zwei wiederkehrende Themen bei dem Südkoreaner. Oft spielen Filmemacher die Hauptrolle, fast immer wird von Liebe gesprochen. Liebe, die gerade anfängt. Liebe, die vorbei ist. Liebe, die es gar nicht geben dürfte. Die Filme von Hong zeichnet dabei immer eine Alltäglichkeit aus, als würde man überhaupt keinen wirklichen Film schauen, sondern irgendwelche privaten YouTube-Videos. Die Schauplätze sind begrenzt, die Handlung besteht aus Dialogen, die mal tiefsinnig, dann wieder schrecklich banal sein können. Für die Massen ist das nichts, so manch einer im Publikum wird angesichts der Ereignislosigkeit Gähnreflexe entwickeln.
Auffallend ist dabei, wie oft sich die Figuren um Kopf und Kragen reden. Ob es nun an den speziellen Situationen liegt oder an dem Alkohol, der währenddessen fleißig gebechert wird: Im Laufe der Gespräche demontieren sich die Leute immer irgendwie selbst. Zeigen sich von ihren hässlichen, zumindest aber schwachen und kindlichen Seiten. Doch obwohl Hong sie immer öffentlich entlarvt – siehe auch sein The Day After aus dem letzten Jahr –, sie sogar der Lächerlichkeit preisgibt: Er verurteilt sie nicht. Bei ihm sind Menschen eben doch nur Menschen, die sich irgendwie durchs Leben schlingern und immer wieder an etwas scheitern. Das kann komisch sein, sehr sogar. In On the Beach at Night Alone kommt es immer wieder zu kleinen Absurditäten, innerhalb der Gespräche wie außerhalb. Laut lachen wird man als Zuschauer dabei eher selten, das eine oder andere Schmunzeln wird man sich jedoch kaum verkneifen können.
Mitdenken und mitfühlen erlaubt
Und doch hat er hier eben ein Drama gedreht, nachdenklich, melancholisch während der titelgebenden Strandszenen. Was bedeutet Liebe eigentlich? Wie finde ich mich selbst in ihr? Was bin ich bereit aufzugeben? Man muss kein Filmemacher sein, um über solche Fragen nachzudenken. Man muss auch keine Affäre dafür führen. Es reicht, durchs Leben zu geben und anderen zu begegnen. Wenn Hong mit seinem Film eines schafft, dann das: Man fühlt sich weniger allein mit seinen Gedanken, egal ob man nun in Hamburg oder einer südkoreanischen Küstenstadt ist, an einem Strand spazieren geht oder in einer Kneipe sitzt.
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