Phone of the Wind

Phone of the Wind: Whispers to Lost Families

„Kaze no denwa: Nokosareta hitobito no koe“, Japan, 2016
Regie: Tomohiko Yokoyama, Ryo Urabe

Telefonzellen, das ist etwas, das wir heute eigentlich nur noch aus alten Filmen kennen. In einer Zeit, in der jeder ein Telefon mit sich herumträgt, ist der Bedarf danach einfach nicht mehr vorhanden. Normalerweise. Die Telefonzelle in Phone of the Wind: Whispers to Lost Families erfüllt aber tatsächlich noch ein Bedürfnis. Was auch damit zusammenhängt, dass sie nicht normal ist. Sie steht an keinem normalen Ort, sondern etwas versteckt in dem Garten eines Privatmanns. Sie ist auch nicht angeschlossen, wer den Hörer abhebt, hört nichts. Und doch kommen Menschen aus ganz Japan hierher, um das zu sagen, was sie nicht mehr sagen konnten. Mit denen zu sprechen, die nicht mehr da sind.

Ursprünglich hatte Itaru Sasaki die Telefonzelle bei sich errichtet, da er den Tod seines Cousins nicht verkraften konnte. Das war 2010. Als ein Jahr später so viele seiner Landsleute während des Erdbebens und des Tsunamis ums Leben kamen, machte er die Zelle zu einem öffentlichen Platz des Trauerns. Und die Menschen nehmen das Angebot gern an. Die Dokumentation folgt einer Reihe von Angehörigen, die sich hier Trost und Antworten erhoffen, die sie im Alltag nicht finden. Oder zumindest die Gelegenheit, das loszuwerden, was sie quält. Unausgesprochenes nicht mehr für sich behalten zu müssen in einem Land, das äußere Gefühle eher wenig schätzt.

Kurios und doch bewegend
Die Idee, mehrere Stunden durch das Land zu reisen, zu einem kleinen Ort im Nordosten des Landes, um in ein defektes Telefon zu sprechen, die erscheint erst einmal kurios. Mehrere der gezeigten Personen sind dann auch zunächst überfordert, wissen gar nicht, was sie tun sollen, was sie sagen sollen. Umso stärker sprudelt es aus ihnen heraus, wenn sie doch noch ihre Stimme finden, in Banalitäten oder Gefühlsbekundungen. Die wenigsten davon werden die beiden Regisseure Tomohiko Yokoyama und Ryo Urabe vorstellen. Aber man braucht das auch nicht. Ein Mensch hat einen anderen verloren und wird mit der Situation nicht fertig. Das ist alles, was man wissen muss, um mitfühlen zu können.

Manchmal ist das fast schon unangenehm, wie nahe wir an den Gefühlsausbrüchen der Leute da sind. Die Grenze zum Voyeurismus, sie ist hier sehr nahe. Dass die für den japanischen Fernsehsender NHK entstandene Doku an einigen Stellen musikalisch dick aufträgt, hätte vielleicht auch nicht unbedingt sein müssen. Insgesamt ist der Beitrag vom japanischen Filmfest Nippon Connection 2017 jedoch ein sehenswerter und eben auch bewegender Film über eine ungewöhnliche Form der Trauerbewältigung geworden.



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„Phone of the Wind: Whispers to Lost Families“ erzählt die Geschichte einer privaten Telefonzelle im Nordosten Japans, in der Menschen mit Verstorbenen „sprechen“ können. Die Idee klingt kurios, wird aber gern von Betroffenen angenommen, um aufgestaute Gefühle loszuwerden. Das Ergebnis ist eine sehenswerte und auch bewegende Doku über eine ungewöhnliche Form der Trauerbewältigung.