„The Shape of Water“, USA, 2017
Regie: Guillermo del Toro; Drehbuch: Guillermo del Toro, Vanessa Taylor; Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Octavia Spencer
Bislang war das Leben von Elisa (Sally Hawkins) eigentlich nicht besonders aufregend gewesen. Ihre Freizeit verbringt sie meistens damit, mit ihrem älteren Nachbarn Giles (Richard Jenkins) fernzusehen. Und ihre Arbeit ist zwar bei einem streng geheimen Forschungslabor. Doch nur als Putzkraft. Als sie und ihre Kollegin Zelda (Octavia Spencer) eines Tages herbeigerufen werden, um nach einem Zwischenfall sauberzumachen, entdecken sie ein seltsames Amphibienwesen, welches das Militär versteckt. Während Laborleiter Strickland (Michael Shannon) nur wenig übrig hat für die seltsame Kreatur, fühlt sich Elisa schnell zu dem Unterwassermann hingezogen. Aber die Zeit drängt. Nicht nur die Amerikaner, auch die Russen sind hinter dem Wesen her und wollen verhindern, dass es in die falschen Hände gerät.
Und Geduld wird manchmal doch belohnt. Da wartet man Jahre darauf, dass Guillermo del Toro mal wieder an die Qualität seines Meisterwerks Pans Labyrinth anschließt, durchlebt Enttäuschung um Enttäuschung. Und dann kommt Shape of Water. Ein Film, wie es sie so viele gegeben hat. Ein Film, der gleichzeitig ganz eigen ist. Ein Film aus einer anderen Zeit und der doch so nah an dem dran ist, was uns heute wichtig ist. Wichtig sein sollte. Ein Film, für den wir so oder so dankbar sein dürfen, dass es ihn gibt.
Willkommen in der Vergangenheit!
Erneut geht der mexikanische Regisseur und Co-Autor del Toro dafür auf Spurensuche in der Film- und Literaturgeschichte. Nachdem er sich zuletzt in Pacific Rim vor japanischen Kaiju- und Mechafilmen verneigte und anschließend in Crimson Peak an einstige Gothic Romances erinnert, wendet er sich hier dem Kreaturenfilm zu. Genauer hatte der Filmemacher lange mit dem Gedanken gespielt, ein Remake von Der Schrecken des Amazonas zu drehen. Nur sollte der Kiemenmensch dieses Mal die Gelegenheit bekommen, am Ende das Mädchen zu bekommen.
Shape of Water ist dann auch mehr Romanze als Horror, einem Die Schöne und das Biest deutlich näher als der Inspirationsquelle. Von Hochglanzkitsch lässt del Toro glücklicherweise dennoch die Finger. Anfang und Schluss des Films sind verträumt-poetisch geworden, auf eine Weise, wie man es dem Mexikaner wohl nie zugetraut hätte. Dazwischen aber wird dann doch deutlich, dass er selbst bei seinem positivsten und lustigsten Film – die für einen Golden Globe nominierte Octavia Spencer sorgt immer wieder für umwerfend komische Momente – nicht ganz von den Abgründen wegkommt, für die er gerade zu Beginn der Karriere berühmt war.
Liebeserklärung an alle Außenseiter
Shape of Water ist nicht nur ein Film über eine Frau und einen Fisch, die sich verlieben. Der Beitrag der Fantasy Filmfest White Nights 2018 ist auch selbst eine Liebeserklärung an all die Außenseiter da draußen. Das unverstandene Monster, das von den Menschen auseinandergepflückt und missbraucht wird, bekommt Unterstützung von einer Stummen, einer Schwarzen und einem Schwulen. Dass die drei Minderheiten nicht viel zu sagen haben, das wird früh klar gemacht, gerade Strickland hat für die Schwachen höchstens Verachtung übrig. Dass das in dieser geballten Form etwas dick aufgetragen ist, Shannons Figur fast schon die Karikatur eines Machos ist, stört nicht weiter. Das Plädoyer für mehr Toleranz und Selbstbehauptung der Ausgestoßenen soll gar nicht authentisch sein, sondern selbst zum Träumen anregen. Nicht ohne Grund wohnen Elisa und Giles über einem Kino und sind unentwegt damit beschäftigt, in der Traumfabrik vorbeizuschauen.
Ein Traum ist aber auch – mal wieder – der audiovisuelle Aspekt. Schon die letzten Filme von del Toro waren ein Fest für Auge und Ohr. Shape of Water steht den Vorgängern da nicht nach. Dieses Mal jedoch findet del Toro auch die passende Geschichte zu den Bildern: Wo der Inhalt in Pacific Rim und Crimson Peak noch hinter der funkelnden Fassade verschwand, da verschmilzt hier alles zu einem. Die märchenhafte Geschichte trifft sich in einem detailverliebten 60er-Jahre-Setting zu einem der bezauberndsten Erfahrungen des noch jungen Filmjahres. Denn ein Märchen bleibt es, was uns der Filmemacher hier erzählt. Anders als bei der Konkurrenz geht es jedoch nicht darum, dass das Biest am Ende zu einem Prinzen wird. Del Toro findet das Schöne im Hässlichen, erzählt von einsamen Seelen, die niemand haben will und die doch ihr Glück entdecken. Und das darf man in einer Zeit, in der die Abweichung von der Norm nach wie vor als Makel angesehen wird, dann auch selbst richtig schön finden.
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