„Vremya Pervyh“, Russland, 2017
Regie: Dmitry Kiselev; Drehbuch: Sergey Kaluzhanov, Yuriy Korotkov, Oleg Pogodin; Musik: Yuriy Poteenko, Aleksandr Vartanov
Darsteller: Evgeniy Mironov, Konstantin Khabenskiy, Vladimir Ilin
Russland, 1963: Zur Zeit des Kalten Krieges zwischen den USA und der UdSSR treten die sowjetische Raumfahrt und die amerikanische NASA im sogenannten “Space Race” gegeneinander an. In einer waghalsigen Mission wird der Versuch, dass ein Mensch zum ersten Mal in der Geschichte die Raumkapsel verlässt und frei im All schwebt, aus Wetteifer zwei Jahre früher gestartet als geplant. Durchgeführt wird das Experiment, das lange Zeit als Selbstmordauftrag galt, von den tollkühnen Kosmonauten Alexey Leonov (Evgeniy Mironov) und Pavel Belyayev (Konstantin Khabenskiy). Die beiden begeben sich auf eine abenteuerliche und riskante Reise in die unendlichen Weiten des Weltraums, deren Ausgang im Ungewissen liegt.
Wahrscheinlich ist vielen unter uns nicht bewusst, dass die damalige Sowjetunion im berüchtigten “Wettlauf ins All” die meisten Siege erzielte. Zwar war der erste Mann auf dem Mond ein Amerikaner, doch die Russen schickten mit Sputnik sowohl den ersten Satelliten in den Orbit, als auch mit Juri Gagarin den ersten Mann, mit Walentina Tereschkowa die erste Frau und, nicht zu vergessen, mit der Weltraumhündin Laika das erste Lebewesen. Spacewalker erzählt die wahre Geschichte des ersten Menschen, der sein Raumschiff verließ und im All spazieren ging.
Überzeugendes Setting, Performance und Visual Effects
Manch einer mag Spacewalker als das Pendant zum Hollywood Blockbuster Apollo 13 sehen. Dabei steht die russische Variante dem amerikanischen Weltraumabenteuer in kaum etwas nach. Die beiden Hauptfiguren Alexey und Pavel, wie auch der Raketenkonstrukteur Sergey Korolev (Vladimir Ilin), sind gut geschrieben und vor allen Dingen wunderbar dargestellt. Das mag daran liegen, dass der echte Alexey Leonov, inzwischen ein 83-jähriges Urgestein, den Filmschaffenden als Berater zur Seite stand. Während Alexey als humorvoller Familienvater, der fast so gerne Stillleben malt, wie nach den Sternen greift, ein emotionale und energetische Figur verkörpert, bildet Pavel als ehemaliger Kriegsheld der Roten Armee den ernsten und stoisches Gegenpol.
Nicht zu verachten ist außerdem die Genauigkeit im Szenenbild, wie auch in Kostüm und Maske, die den Stil der 60er Jahre exakt und bis ins kleinste Detail treffen, wodurch eine glaubwürdige Grundlage für die Story kreiert wird. Detailverliebtheit spielt ohnehin eine große Rolle in dieser Produktion, besonders im Bezug auf das Leben in Zeiten der Sowjetunion. Teilweise mag die Motivation und Handlung der Charaktere für das westliche Publikum heutzutage kontrovers erscheinen, zum Beispiel, wenn Pavel seinen Partner daran erinnert, dass sie hier sind, um Befehlen zu folgen und nicht ihren Träumen. Auf ähnliche Weise erklärt Korolev in einer Szene, wie das russische Volk nur zusammen stark werden kann. Der Fokus liegt ganz klar auf dem sozialen Mehrwert anstelle des Individuums – für heutige Verhältnisse ein ungewöhnlicher Vorsatz für eine Heldengeschichte. Doch gerade diese Einstellung bestimmt die Atmosphäre in Spacewalker, treibt die Geschichte voran und trägt zu einer beachtlichen Umsetzung historischer Ereignisse bei. Eine besonders positive Überraschung ist die Qualität der Effekte. Seit dem innovativen Oscargewinner Gravity aus dem Jahr 2013 sieht man in Spacewalker mit Sicherheit die authentischsten Schwerelosigkeitsszenen, die es auf die große Leinwand geschafft haben.
Längen und emotionalisierende Klischees
Die Stimmigkeit des Gesamtwerks wird nur durch zwei Punkte gestört. Gerade in der Anfangs- und Endphase hätte die Geschichte ein paar unnötige Szenen einbüßen können. Schließlich muss der Zuschauer fast bis zur Hälfte der Laufzeit warten, bis das Raumschiff Woschod 2 abhebt, um dann nach knapp einer Stunde (ziemlich spektakulär) wieder zu landen. Zu diesem Zeitpunkt ist nach ein paar spannungsgeladenen Erdumkreisungen die Luft raus. Bei einer Gesamtlaufzeit von knapp 2,5 Stunden zieht sich das Ende deshalb deutlich in die Länge. Außerdem kann die Geschichte in Spacewalker manche Klischees nicht trittsicher umgehen und trägt zum Beispiel in der musikalischen Untermalung zu dick auf, sodass echte Emotionen durch die zu oft gesehenen, bzw. zu oft gehörten Trigger nicht ausgelöst werden können.
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