„Springfloden“, Schweden, 2016
Regie: Niklas Ohlson, Mattias Ohlsson, Pontus Klänge; Drehbuch und Vorlage: Cilla Börjlind, Rolf Börjlind
Musik: Johan Söderqvist; Darsteller: Julia Ragnarsson, Kjell Bergqvist, Dar Salim, Johan Widerberg, Cecilia Nilsson
Es hätte eigentlich nicht mehr als eine Semesterarbeit für Olivia Rönning (Julia Ragnarsson) sein sollen. Sie und die anderen Kommilitonen von der Polizeischule erhielten jeweils einen ungelösten Fall, mit dem sie sich auseinandersetzen sollten. Bei ihr war es die Geschichte einer Frau, die vor 25 Jahren im Sand begraben wurde und später in der Springflut ertrank. Als sich Olivia in den Fall hineinliest, stellt sie zu ihrer großen Überraschung fest, dass ihr verstorbener Vater selbst seinerzeit daran ermittelte. Für die junge Polizeianwärterin steht fest, dass sie nun das zu Ende bringen muss, was ihr Vater einst begann. Dabei hofft sie auf Unterstützung des damaligen Chefermittlers Tom Stilton (Kjell Bergqvist). Doch der hat sich längst vom Polizeidasein verabschiedet und lebt auf der Straße. Zudem hat er gerade ganz eigene Probleme: In der letzten Zeit wurden wiederholt Obdachlose angegriffen oder sogar ermordet und die Videos davon ins Netz gestellt.
Auch wenn skandinavische Krimis und Thriller heute längst nicht mehr die Sensation darstellen, die sie vor einigen Jahren noch waren, so genießen sie doch immer noch hierzulande eine beachtliche Popularität. Mit Springflut erschien unlängst eine weitere Serie aus dem hohen Norden, die den Durst des Publikums nach düsteren Morden und düsteren Ermittlern stillen soll. Teilweise gelingt ihr das, teilweise weniger. Man merkt der schwedischen Produktion in manchen Bereichen durchaus ihre Herkunft an. Sie geht aber auch bewusst eigene Wege.
Bekanntes und Unbekanntes aus dem hohen Norden
Ein lang zurückliegender Fall, den damals keiner lösen konnte und der nun neu aufgerollt wird – da dürften die meisten an das berühmte Dezernat Q des dänischen Autors Jussi Adler-Olsen (Erbarmen, Schändung) denken. Und auch der obligatorisch abgestürzte Polizist darf hier nicht fehlen. Cilla und Rolf Börjlind gingen aber noch einen Schritt weiter und degradierten den einstigen Ermittler sogar zu einem versoffenen Obdachlosen. Als Kontrast fügten die beiden schwedischen Erfolgsautoren aber auch noch die Figur der jungen Polizeianwärterin ein, die mit ihrer Unbekümmertheit und Naivität sowie dem Enthusiasmus so gar nicht dem Bild des verhärmten Ermittlers entspricht, auf welches die Skandinavier gern zurückgreifen.
Auch sonst fällt Springflut durch eben diesen Gegensatz von Licht und Schatten auf. Hier gibt es nicht nur düstere Hinterhöfe, in denen ermittelt wird. Mit einem Strand beginnt das Mysterium. Immer wieder kehren die Figuren dorthin zurück und bringen uns schöne und entspannte Bilder mit, die so gar nicht zu den grausigen Taten passen. Vor allem die Nebenhandlung um misshandelte Obdachlose fordert den Zuschauern einiges ab. Von der Freigabe ab 12 Jahren und der untypisch freundlichen Farbgebung sollte man sich nicht täuschen lassen: Mit den Menschen wird hier nicht zimperlich umgegangen, ein Leben mehr oder weniger zählt da nicht viel.
Moment, worum ging es hier?
Actionszenen sind dennoch eher rar. Stattdessen ist Springflut ein klassischer Krimi, in dem das Ermittlerduo umherläuft, Schauplätze inspiziert und Leute befragt. Das ist fast schon wohltuend altmodisch und gibt dem Publikum doch auch genügend zum Grübeln mit auf den Weg. Ein bisschen zu viel vielleicht. Wo der Trend in Krimiserien heute dahin geht, einen großen Fall über mehrere Folgen auszubreiten und währenddessen vor allem die Personen zu beleuchten, gibt es hier mehrere Fälle, die parallel laufen. Das ist verwirrend, zumal man hier vergeblich darauf wartet, dass die einzelnen Handlungsstränge denn zusammenlaufen. Die große Überraschung, sie bleibt aber aus – von einem völlig überflüssigen Twist zum Ende hin abgesehen. Dennoch: Wer Krimis mag, der ist hier an einer guten Adresse und darf auf eine zweite Staffel hoffen. Vorlagen des Ehepaars gibt es schließlich genug.
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