„Strange Colours“, Australien, 2017
Regie: Alena Lodkina; Drehbuch: Alena Lodkina, Isaac Wall; Musik: Mikey Young
Darsteller: Kate Cheel, Daniel P. Jones
Es ist nicht unbedingt der schönste Anlass, der Milena (Kate Cheel) dazu gebracht hat, 18 Stunden mit dem Bus ins australische Hinterland zu reisen. Aber ihr Vater Max (Daniel P Jones) ist nun mal dort. Viel Kontakt hatten sie nicht mehr. Während er damit beschäftigt war, nach Opalen zu suchen, versuchte sie, ein eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch nun ist sie hier, bei ihrem kranken Vater, sucht erst einmal nach einem Weg, die Brücke zu ihm zu überqueren. Leicht ist das nicht, zu brüchig ist das Verhältnis. Und das mit dem Reden, das liegt den Minenarbeitern hier eh nicht so richtig.
Die Filmfestspiele von Venedig gehören zu den größten und wichtigsten Filmfesten weltweit und ziehen jedes Jahr entsprechend viel Prominenz an. Während die Augen der Welt auf die Premieren der Hollywoodstars gerichtet sind, feiern etwas versteckt im Rahmen des Biennale College Cinema diverse Nachwuchsregisseure ihre Premiere. So auch 2017, wo die in Russland geborene, heute in Australien lebende Alena Lodkina ihr Regiedebüt abliefert. Klar, mit den schauspielerischen Schwergewichten der parallel gezeigten Downsizing oder Suburbicon kann es das kleine, unscheinbare Drama nicht aufnehmen. Und doch hat Lodkina einiges zu erzählen. Vor allem aber hat sie einiges zu zeigen.
Bedrohlich und melancholisch
Dass das australische Hinterland ein wunderbares Setting abgibt, das haben schon viele Filme bewiesen, zuletzt etwa Killing Ground. Und zumindest manchmal könnte man meinen, auch Strange Colours wäre aus dem Horror- oder Thrillergenre geflüchtet. Grimmige alte Männer, bereit sich mit Gewalt gegen alle Fremden zu wehren, dazu die weite, größtenteils menschenverlassene Gegend. Das bietet sich eigentlich an, um zünftige Überlebenskämpfe anzuzetteln. Aber auch wenn Milena an der einen oder anderen Stelle ein wenig erschrocken ist, bei einer nächtlichen Begegnung beispielsweise, eine wirkliche Gefahr droht hier höchstens von der Schlange, die sie eines Tages findet.
Die ist im Anschluss schnell vergessen. Lodkina will vor allem die Menschen zeigen, die es in diese abgelegene Gegend verschlagen hat. Die meisten davon waren damals auf der Durchreise, wollten bald wieder weg. Und sind doch am Ende geblieben. Warum können sie selbst nicht so recht erklären. Strange Colours ist auch allgemein kein Film, der seine Ideen und Themen zu sehr ausformulieren möchte. Vieles wird hier kommuniziert, indem eben nicht kommuniziert wird. Hinter dem Schweigen verbirgt sich nicht zwangsweise das Nichts, sondern die Unfähigkeit, sich in der Außenwelt wiederzufinden. Die Männer mögen kleine Edelsteine aus den Tiefen der Erde bergen, ihr eigenes Inneres entgleitet ihnen aber immer wieder.
Für Liebhaber ruhiger Geschichten
Für Handlungsfetischisten ist das eher weniger geeignet – in Strange Colours wird noch weniger agiert denn gesprochen. Es ist schon ein sehr ruhiger Film, den Lodkina da vorgelegt hat. Nicht einmal Musik lenkt vom Nicht-Geschehen ab, nur selten hören wir hier mehr als Naturgeräusche und Schweigen. Und doch ist das Drama keinesfalls langweilig. Thematisch mag es bei der vorsichtigen Annäherung eines entfremdeten Vater-Tochter-Gespanns keine neuen Pfade in der Wildnis entdecken. Aber es sind sehenswerte Pfade. Der Bilder wegen, die hin und wieder der titelgebenden Farbenpracht folgen. Aber eben auch der Menschen wegen: Das Debüt der jungen Filmemacherin ist das melancholische Porträt einer Gruppe von Außenseitern, vereint in ihrer Einsamkeit und der Suche nach sich, einem Sinn und den Schätzen dieser Erde.
(Anzeige)