Seitdem er seiner Familie zuliebe den Polizeidienst quittiert hat und nun für eine Versicherung arbeitet, ist das Leben für Michael MacCauley (Liam Neeson) zu einer Routine geworden. Einer sehr verlässlichen Routine. Bis zu jenem Tag. Erst wird er aus heiterem Himmel entlassen, dann macht er während seiner täglichen Zugfahrt eine eigenartige Bekanntschaft: Eine mysteriöse Fremde namens Joanna (Vera Farmiga) setzt sich zu ihm und bittet ihn um einen kleinen Gefallen. Schafft er es, bis zu einer bestimmten Zwischenstation eine bestimmte Person im Zug ausfindig zu machen, erhält er 100.000 Dollar – angesichts seiner prekären finanziellen Lage ein echter Segen. Doch hinter dem Angebot steckt deutlich mehr, als er zunächst ahnt, bald steckt nicht nur er, sondern auch seine ganze Familie in Lebensgefahr.
Rund anderthalb Jahre ist es her, dass Jaume Collet-Serra mit The Shallows – Gefahr aus der Tiefe einen echten Überraschungshit abgeliefert hat. Überraschend weil der Haihorror bei einem Budget von 17 Millionen Dollar gleich 119 Millionen Dollar wieder einspielte. Überraschend aber auch, weil er nach drei Thrillern, in denen Liam Neeson die Hauptrolle spielte, mal etwas komplett anderes machte. Aber nun heißt es zurück zur Routine. Erneut wurde der spanische Regisseur dazu verpflichtet, den irischen Schauspieler auf eine lebensgefährliche Mission zu schicken. Nachdem bei der letzten Kooperation der beiden (Non-Stop) ein Flugzeug zum Schauplatz der Action wurde, steht dieses Mal eine Zugfahrt auf dem Programm.
Aus der Routine ausbrechen
So routiniert die Zusammenarbeit der beiden Künstler ist, so routiniert ist auch der Film – und das nicht nur, weil das Thema Routine sich wie ein roter Faden durch The Commuter zieht. Wer zehn Jahre lang mit demselben Zug pendelt – der Titel bedeutet übersetzt Pendler –, der kennt den Ablauf, der kennt auch alle Leute, die regelmäßig hier ein- und aussteigen. So weit die Überlegung. Einem solchen Pendler die Aufgabe zu übertragen, einen Menschen zu finden, der nicht wirklich in diesen Zug gehört, das ist eine ebenso naheliegende wie originelle Idee.
Zumindest anfangs macht The Commuter auch tatsächlich Spaß. Die Begegnung mit Bekannten und Unbekannten, die Suche nach einem Menschen, über den man praktisch nichts weiß. Der Film wandelt an dieser Stelle noch in Krimigefilden herum, eine Art Mord im Orient-Express, nur deutlich schneller. Schließlich bleiben Michael nur wenige Stationen, um das Rätsel zu lösen. Und damit der Dringlichkeit noch ein bisschen mehr Nachdruck verliehen wird, darf – wie so oft in Thrillern – auch noch die Familie des Helden miteinbezogen werden. Versagst du, stirbt deine Familie. Suchst du Hilfe: dasselbe Ergebnis.
Größer, schneller, blöder
Leider aber meinten Byron Willinger und Philip de Blasi, von denen die Idee des Films stammt und die auch das Drehbuch mitgeschrieben haben, dass das alleine nicht ausreicht. Das bedeutet zum einen, dass Michael nicht einfach nur ein Familienmensch sein darf, sondern natürlich wieder ein Ex-Cop sein muss. Dass das in dem Bereich zu den schlimmsten Klischees überhaupt gehört und hier sehr konstruiert wirkt, war den beiden egal. Hauptsache Neeson darf wieder seine Fäuste schwingen. Das sieht auch mit Mitte 60 noch manierlich aus, so wie die Actionszenen weitestgehend solide sind – von späteren CGI-Zwischenfällen einmal abgesehen.
Schlimmer noch ist aber, dass der Film inhaltlich komplett entgleist. Nicht nur, dass das Rätsel relativ früh aufgelöst wird und auch die spannende moralische Komponente auf die übliche Hollywoodmasche aufgelöst wird. The Commuter soll zu einer ganz großen Geschichte aufgebauscht werden, mutiert aber letztlich zu einer Ansammlung der lächerlichsten Einfälle, die man in diesem Bereich haben kann. Nichts ergibt mehr Sinn, beim Durchqueren des Zuges fällt man von einem Logikloch ins nächste, die Figuren verhalten sich auf die denkbar idiotischste Art und Weise, Szenen finden ein plumpes vorzeitiges Ende.
Natürlich schaut man diese Art Thriller nicht unbedingt des Inhalts wegen, sondern wegen schneller Actionszenen. Wer nur diese will, bekommt auch diese, in einem zumindest seltener verwendeten Setting. Und doch ist es eben schade, dass die Ansätze eines deutlich besseren Films hier so achtlos aus dem Fenster geworfen werden. Nur weil einem dieses Genre ein bisschen mehr Freiraum gibt, was realistisch und plausibel sein soll, heißt das nicht, man hätte einen Freischein gekauft, jeden Blödsinn zu verzapfen. Dass der Film diesen auch noch ernstnimmt, anstatt dem überzogenen Szenario mit Humor zu begegnen, lässt das Spektakel zum Schluss zu einer irgendwie langweiligen Hochgeschwindigkeitskaffeefahrt verkümmern.
OT: „The Commuter“
Land: USA, Frankreich, UK
Jahr: 2017
Regie: Jaume Collet-Serra
Drehbuch: Byron Willinger, Philip de Blasi, Ryan Engle
Musik: Roque Baños
Kamera: Paul Cameron
Besetzung: Liam Neeson, Vera Farmiga, Patrick Wilson
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