„Bangzi Melody“, China, 2017
Regie: Dasheng Zheng; Drehbuch: Baoluo Li; Musik: Qi Li
Darsteller: Zhibing Li, Chunzhu Liang, Chunmin Wang, Huijuan Zhang, Aihua Lu
Wir schreiben das Jahr 1982 in einem kleinen Dorf im Nordosten von China, der Winter hat die Gegend fest im Griff. Meist passiert hier nicht sehr viel. Doch das soll sich ändern. Sehr bald sogar. Schließlich haben die Bewohner die große Ehre, eine klassische Oper aufzuführen, um damit der Politikelite eine Freude zu bereiten. Die Freude innerhalb des Dorfes hält sich jedoch ein wenig in Grenzen. Vor allem die Frage, wer denn bei dem Stück mitmachen darf, sorgt immer wieder für Unmut. Gleichzeitig wird aber auch um das Land gestritten, umso mehr, wenn ein besonders begehrter Teil davon einem notorischen Irren gehört.
Einblick in eine fremde Welt
Das chinesische Kino hat es hierzulande bekanntermaßen nicht ganz leicht. Wenn nicht gerade einer wenigen großen Namen mitspielt – Jackie Chan oder Donnie Yen zum Beispiel –, dann interessiert sich kaum einer dafür. Und genremäßig dürfen die Asiaten ohnehin nur mitmischen, wenn sie sich oder anderen eins auf die Nase geben. Martial Arts, Copthriller, das eine oder andere Abenteuer, viel mehr geht da nicht. Wer einen etwas tieferen Einblick in das filmische Wirken des Reichs der Mitte erlangen will, der ist schon auf entsprechende Filmfeste angewiesen. Filmfeste wie das Chinesische Filmfest in Deutschland, welches im März 2018 zeitgleich in Frankfurt und Düsseldorf stattfindet. Und eines muss man den Organisatoren lassen: Mit Bangzi Melody haben sie sich sicher einen der seltsamsten Filme für das Programm ausgesucht, den man in den letzten Jahren hat sehen dürfen.
Dabei ist es nicht einmal die Oper selbst, die das westliche Publikum vor einige Aufgaben stellen dürfte. Denn die wird gar nicht groß gezeigt. Es ist vielmehr der gesamte Rest. Bangzi Melody, welches auf einer Erzählung von Jia Dashan basiert, ist natürlich tief in der Geschichte des eigenen Landes verwurzelt. Die Kulturrevolution, die Unterschiede zwischen ländlichem Alltag und großstädtischem Anspruch, die Frage: Wohin soll es eigentlich in Zukunft gehen? Was machen wir mit dem ganzen alten Zeug, alten Überzeugungen, alten Konflikten?
Die Komik des Dramas
Klingt ernst. Ist es auch. Geleichzeitig wiederum nicht. Es ist nicht immer ganz einfach zu erkennen, welche Teile von Bangzi Melody so gemeint sind, wie sie erscheinen. Wann der Film komisch sein will oder gar satirisch. Gerade die Streitereien um die Besetzung der Oper gehen gern mal ins Groteske. Und wenn die Bürger zum Mitmachen angestachelt werden, weil ein Parteisekretär daraus für sich Profit schlagen will, dann legt auch das nah, dass da ein bisschen im Fleisch herumgestochert werden soll. Lachen erlaubt. An anderen Stellen wird der Film hingegen zu seltsam, zu undurchdringlich, als dass eine eindeutige Entscheidung möglich wäre, was das eigentlich alles gerade sein soll und will.
Gerade auch optisch wird es immer mal wieder kurios. Schön sind die Schwarzweißbilder. Kleine Kunstwerke, die maßgeblich zu der dichten Atmosphäre beitragen und an denen man sich auch dann nicht sattsieht, wenn man gerade nicht versteht, was darauf zu sehen ist. Nur dass diese Kunstwerke immer wieder aufgebrochen werden. Die Grautöne, sie werden von leuchtenden und gleichzeitig sehr künstlichen Grüntonen durchtrennt. Manchmal auch ein bisschen rot. Schön ist das dann nicht mehr, eher genauso seltsam wie der Inhalt. Als würde man plötzlich eine Computersimulation ansehen, ein Modell für etwas, was es noch nicht gibt. Oder auch nicht mehr. Das ist faszinierend und anstrengend, spannend und unbefriedigend in einem. Den Mainstream wird das chinesische Kino auf diese Weise natürlich nicht erreichen. Das gelang aber auch zu Hause schon nicht. Wer jedoch offen ist für neue Seherfahrungen, vielleicht auch (fernöstlich) kulturell interessiert, der darf sich Bangzi Melody aber schon einmal im Kalender anstreichen.
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