„Dix pour cent“, Saison 1, 2015/16
Regie: Cédric Klapisch, Antoine Garceau, Lola Doillon; Musik: Loïk Dury, Christophe Minck
Darsteller: Camille Cottin, Liliane Rovère, Thibault de Montalembert, Grégory Montel, François Civil
Glamour, roter Teppich und Unmengen an Champagner? Dazu jede Menge Geld? Nein, der Alltag von Mathias (Thibault de Montalembert), Gabriel (Gregory Montel), Andrea (Camille Cottin) und Arlette (Liliane Rovère) sieht anders aus. Gemeinsam arbeiten sie in einer Schauspielagentur in Paris, versuchen ihre Klienten in Filmen unterzubringen, während sie gleichzeitig den Marotten der Künstler ausgeliefert sind. Einfach ist das nicht, jeder Tag wird aufs Neue zu einem Drahtseilakt. Vor allem aber müssen sie um das eigene Überleben kämpfen. Schließlich ist die Konkurrenz mörderisch, jeder kämpft gegen jeden. Als es dabei auch zu einem Unglück kommt, steht die Agentur plötzlich vor ihrem Aus. Und als wäre das alles nicht schon kompliziert genug, fängt auch noch Camille (Fanny Sidney) bei ihnen an, die heimliche Tochter von Mathias.
Die besten Geschichten schreibt dann doch das Leben. Und die unglaublichsten auch. Während ihrer Zeit bei der Künstleragentur Artmedia hatten Dominique Besnehard und Michel Feller die Idee, eine Serie über ihre Arbeit zu drehen. Es dauerte zwar noch einige Jährchen, bis aus der Idee etwas wurde, auch das Konzept wurde mehrfach umgeändert. 2015, neun Jahre später, ging Call My Agent! dann aber doch noch auf Sendung – nicht zuletzt, weil sich Regisseur Cédric Klapisch (L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr, Der Wein und der Wind) dafür stark machte. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Inzwischen wird bereits eine dritte Staffel produziert, die Stars stehen Schlange, um hier mitzuspielen.
Reale Schauspieler mit viel Sinn für Selbstironie
Das ist nämlich einer der Clous von Call My Agent!: Die Klienten der Agentur sind durchweg namhafte Darsteller, die sich alle selbst spielen. Oder zumindest eine Version von sich selbst, denn die Schauspieler gehen mit jeder Menge Selbstironie und Spaß an der Sache an die Arbeit. In der ersten Folge ist es Cécile de France, die sich als Reitniete selbst auf die Schippe nimmt, während sie aufgrund ihres Alters aus dem Ensemble des nächsten Tarantino-Films geworfen wird. In der nächsten Episode dürfen die beiden großen Diven Françoise Fabian und Line Renaud beweisen: Frau ist doch nie zu alt für einen Zickenkrieg.
Das französische Publikum hat hier natürlich gleich doppelt Heimvorteil. Während es die sich wenig heldenhaft verhaltenden Helden auf dem Bildschirm kennen dürfte, werden hierzulande nur die tatsächlich frankophilen Filmfans die Gesichter erkennen. Da ist man in der kommenden dritten Staffel schon deutlich weiter, wo unter anderem die internationalen Filmpreisträger Jean Dujardin (The Artist) und Isabelle Huppert (Elle) mitwirken. Und so manche Anspielung in den Drehbüchern wird an den hiesigen Zuschauern ebenfalls ohne große Wirkung vorbeirauschen.
Der ganz alltägliche Wahnsinn
Aber selbst wer sich nicht zu den Insidern des französischen Kinos zählt, kann hier eine Menge Spaß haben. Viele der Geschichten ließen sich ohne große Änderungen auf Hollywood oder die hiesige Filmindustrie übertragen. Da prallen übermenschliche Egos aufeinander, die Künstler haben alle irgendwo eine Macke, sind im richtigen Moment aber dazu bereit, sich unglaublich zu erniedrigen – wenn eine große Rolle dabei rausspringt. Wenn die Agenten sich als Vermittler versuchen, oft mit Tricks arbeiten müssen, um die Schauspieler bei Laune zu halten, dann sieht man das Filmgeschäft wirklich mit einem ganz anderen Auge.
Anders aber als etwa The Job Lot – Das Job Center, welches die Absurditäten einer Arbeitsagentur hervorhob, ist Call My Agent! gleichzeitig doch um Realismus bemüht, will nicht reine Komödie oder gar Satire sein. Man nimmt der Serie dann auch ab, dass so manche Anekdote nicht der Drehbuchkonferenz, sondern der Arbeit mit Künstlern geschuldet ist. Zudem versuchen die Macher, die Angestellten der Agentur als reale, vergleichsweise normale Menschen zu zeigen, mit individuellen Sorgen und Nöten. Manches davon ist übertrieben, beispielsweise das Szenario um die heimliche Tochter. Insgesamt gelingt es der Serie aber gut, dass man sich inmitten des Wahnsinns heimisch fühlt, auch mitfühlt mit den unscheinbaren Protagonisten, die einen der spannendsten und zugleich anstrengendsten Jobs haben, der uns in Film und Fernsehen gezeigt wurde.
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