„Der Geschmack von Leben“, Deutschland, 2017
Regie: Roland Reber; Drehbuch: Roland Reber, Mira Gittner, Antje Nikola Mönning; Musik: Antje Nikola Mönning
Darsteller: Antje Nikola Mönning, Norman Graue
Auf den Mund gefallen ist Nikki (Antje Nikola Mönning) sicher nicht. Dafür nimmt sie ihn ganz gern mal voll. Mit Schwänzen zum Beispiel. Die schmecken gut, vor allem wenn sie gerade ejakulieren. Jesus freut es, wenn sie das macht. Der ist nämlich ein netter Typ. Und auch die Menschen da draußen freuen sich, wenn Nikki eifrig zur Sache geht. Das bedeutet nämlich, dass sie Material für ihren Video Blog hat, den sie betreibt und für den sie durch das ganze Land fährt – immer auf der Suche nach interessanten Gesprächspartnern und spritzigen Abenteuern.
„Was ist ein Mann?“, lautet die Frage in „Nikki Talks“, einer fiktiven Talkshow, welche den Film beendet. „Lebendiges Fleisch“, antwortet eine der Gesprächspartnerinnen. Nett ist das nicht. Oder respektvoll. Aber natürlich irgendwo passend in einer Gesellschaft, in der Frauen ganz gern mal auf diese Rolle reduziert werden. Siehe die derzeitige #metoo-Welle, die Geschichten freilegt, bei denen man sich im Anschluss gar nicht so ganz sicher ist, ob man sie nun wirklich hat hören wollen.
Es gibt viel zu besprechen, lassen wir es lieber bleiben!
Das gilt in gewisser Weise auch für Der Geschmack von Leben. Nicht weil der Film durch die Umkehrung von Geschlechterverhältnissen oder das unbekümmerte Zurschaustellen von nackten Menschen so wahnsinnig provokativ wäre. Da braucht es dann doch ein bisschen mehr als dauergrinsende Vloggerinnen, die sich über die verschiedenen Geschmacksrichtungen von Sperma austauschen. Er ist eher anstrengend, gerade weil er so bemüht unbekümmert ist, sich gar nicht wirklich für die Themen interessiert, die er anschneidet. „Das klingt jetzt alles so traurig“, sagt Nikki, selbst nicht glücklich, will lieber über etwas anderes reden. An einer anderen Stelle verlässt sie auch schon mal das Interview, um lieber Sex zu haben, während eine junge Frau die traurige Geschichte erzählt, dass sie gerne Weihnachtsgebäck backen würde, sie dabei aber immer so komisch angeschaut wird.
Komisch ist dann auch der Film selbst, mal mehr, mal weniger. Er ist es vor allem dann, wenn er gar nicht versucht, irgendetwas zu sagen, sondern sich lieber gleich dem Schwachsinn hingibt. Denn eines muss man dem Künstlerkollektiv von wtp lassen: Sie bauen doch immer wieder Szenen und Momente ein, die tatsächlich überraschen. Da stapft ein Jesus aus der Halle, weil ihm das alles nicht guttun würde. Ein Engel steht allein vor heruntergelassenen Rollläden und singt. Überhaupt: Gesungen wird sehr oft, nette Poplieder mit weniger netten Texten. Oder Kinderliedern.
Über Geschmack lässt sich streiten
Ist das nun großartig oder grenzdebil? Darüber darf kräftig gestritten werden, der Beitrag von den Internationalen Hofer Filmtagen will ja auch provozieren. Und zumindest in punkto Kritiken zeigt sich, dass Regisseur Roland Reber (24/7 – The Passion Of Life) und seine Drehbuch-Crew Erfolg hatten, eine eindeutige Richtung lässt sich hier kaum herauslesen – von Verriss bis Jubelarie ist alles dabei. Viel hängt davon ab, wie gut man sich mit der schrill-lärmenden Art des Films arrangieren kann. Die penetranten Einblendungen zur „Fic(k)tion des Monats“ etwa greifen sehr schnell die Nerven an, ohne dass sie dafür in irgendeiner Weise entschädigen würden. Es reicht nicht mal als Satire auf die die vielen Vlogs da draußen, die das Banale zur Kunstform erklären wollen. Denn auch da bleibt Der Geschmack von Leben zu sehr an der Fassade, wechselt das Thema, wenn es gerade interessant werden könnte. Zumindest aber ist diese etwas andere, bewusst trashige Erotikkomödie eine Bereicherung im deutschen Kino, das sich zu oft in sichere Häfen rettet, anstatt einfach mal draufloszuschippern und selbst beim größten Schiffbruch noch seinen Spaß zu haben.
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