„Hotel Jugoslavija“, Schweiz, 2017
Regie: Nicolas Wagnières; Drehbuch: Nicolas Wagnières; Musik: Filippo Gonteri
27 Jahre ist es mittlerweile her, dass der Staatenbund Jugoslawien zu bröckeln begann und sich in Folge in eine Reihe souveräner Länder aufteilte – mal auf demokratische Weise, mal im Rahmen verheerender Kriege. Die Wunden sind bis heute nicht wirklich verheilt, wie uns Filme wie Mittagssonne oder Enklave immer wieder vor Augen führen. Die Frage nach Identität und Zugehörigkeit, sie ist mit der Zeit nicht wirklich verstummt. Auch Hotel Jugoslavija blickt zurück auf die Jahre, als diverse Nationalitäten und Ethnien noch unter einem Namen auftraten, vergleicht diese mit dem, was heute daraus geworden ist. Bemerkenswert an dem Dokumentarfilm ist jedoch, wie er an dieses Thema herangeht.
1969 wurde das titelgebende Hotel Jugoslavija gebaut. Groß sollte es sein, glamourös, die Leute aus aller Welt anziehen und gleichzeitig das Land repräsentieren. Einige Jahrzehnte ist von diesem Ziel nicht viel geblieben. Und auch das Gebäude selbst hat in der Zwischenzeit stark gelitten. Wenn Regisseur Nicolas Wagnières vergangene Aufnahmen ruhmreicher Tage neben die baufälligen Mauern positioniert, dann ist das ein mehr als eindrucksvolles Symbol für den Niedergang dieser heterogenen Nation, der zuletzt 23 Millionen Bürger angehörten.
Zurück in die Vergangenheit
Auch sonst baut Wagnières immer mal wieder historische Aufnahmen ein, beispielsweise zu dem Einfluss von Josip Broz Titos und der Bedeutung, die dessen Tod für das Land hatte. Wirklich politisch ist Hotel Jugoslavija dennoch nicht. Die Doku will keine Geschichtsstunde sein. Hier gibt es keine Zahlenkolonnen oder altersweise Experten, die aus muffigen Büchern zitieren. Vielmehr ist der Zugang des Filmemachers deutlich persönlicher Natur: Der Schweizer mit jugoslawischer Mutter mischt eigene Anekdoten mit nüchternen Fakten, zeigt alte Filmausschnitte ebenso wie aktuelle Interviews.
Ein vollständiges Bild von Jugoslawien entsteht auf diese Weise nicht. Das war aber wohl auch nicht das Ziel von Wagnières gewesen. Mehrere Jahre arbeitete er an seinem Dokumentarfilm, zeichnete dabei eine ganz eigene Vision, zwischen Ambition und Resignation, zwischen großtrabenden Träumen und ebenso großer Ernüchterung. Es ist eine Annäherung an eine Heimat, die es vielleicht nie wirklich gegeben hat. Der Versuch zu verstehen, wo die Wurzeln liegen, wenn längst nichts mehr da ist – oder vielleicht auch doch. Der Beitrag von der Berlinale 2018 ist deshalb weniger für ein Publikum gedacht, das sich eine klare Aufarbeitung der Vergangenheit und eine anschließende Katalogisierung erhofft. Vielmehr lädt Hotel Jugoslavija dazu ein, dem Filmemacher ein bisschen Gesellschaft zu leisten und auf eine Spurensuche zu gehen, die gleichzeitig vergeblich und sehr ergiebig ist.
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