Jugend ohne Gott
© Constantin Film

Jugend ohne Gott

„Jugend ohne Gott“, Deutschland, 2017
Regie: Alain Gsponer; Drehbuch: Alex Buresch, Matthias Pacht; Vorlage: Ödön von Horváth; Musik: Enis Rotthoff
DarstellerJannis Niewöhner, Fahri Yardım, Emilia Schüle, Anna Maria Mühe, Jannik Schümann, Alicia von Rittberg

Jugend ohne Gott DVD
„Jugend ohne Gott“ ist seit 8. Februar 2018 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Geld war in der Familie von Zach (Jannis Niewöhner) nie wirklich ein Problem. Und so stand es dann auch von Anfang an außer Frage, dass er später einmal auf die renommierte Rowald-Universität gehen soll. Der Weg dorthin führt über ein Hochleistungscamp, in dem die Teilnehmer gegeneinander antreten und fleißig Punkte sammeln sollen. Zach selbst hat daran jedoch weniger Interesse, auch nicht an seiner Konkurrentin Nadesh (Alicia von Rittberg), die sich zu ihm hingezogen fühlt. Viel zu sehr leidet er noch an dem Selbstmord seines Vaters, den er in einem Tagebuch verarbeitet. Dafür weckt Ewa (Emilia Schüle) seine Aufmerksamkeit, die sich mit einigen anderen illegal im Wald ein neues Zuhause aufgebaut hat, fernab gesellschaftlicher Normen und des Drucks.

Die Deutschen gelten ja ganz gerne mal als ein Volk der Miesmacher und Pessimisten. In filmischer Hinsicht ist davon jedoch eher weniger etwas zu merken. Im hiesigen Kino befasst man sich lieber mit dem privaten als mit dem gesellschaftlichen. Sofern man denn überhaupt einen Anspruch verfolgt und nicht gerade wieder eine Wegwerfkomödie produziert. Umso interessanter, dass in den letzten Jahren diverse Dystopien den Weg in die Finanzierung und auch in die Lichtspielhäuser fanden. Volt trieb derzeitige Flüchtlingstendenzen auf die Spitze, Stille Reserven und Boy 7 wagten sich gar in Science-Fiction-Gefilde vor und zeigten uns eine Welt, in der der Mensch nicht mehr viel zählt.

Die Zukunft aus der Vergangenheit
Jugend ohne Gott ist nun ein weiteres Beispiel geworden für eine solche cineastisch-futuristische Schwarzmalerei. Ein wenig überraschend ist das schon, schließlich liefert der gleichnamige, bereits mehrfach verfilmte Roman von Ödön von Horváth die Vorlage. Der stammt aber schon aus dem Jahr 1937 und handelt von einem Lehrer, der an der nationalsozialistischen Weltordnung und der zunehmenden Anonymisierung verzweifelt. Regisseur Alain Gsponer (Heidi) und sein Drehbuchteam verlegten die Geschichte nun in die Zukunft und änderten auch den Fokus: Der namenlose Lehrer der Vorlage rückte in den Hintergrund, dafür ist es Zach, der jetzt alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Während die zeitliche Neuorientierung erstaunlich gut funktioniert – Entindividualisierung und Effizienzbestreben sind schließlich feste Bestandteile der heutigen Zeit –, ist das mit dem Figurentausch so eine Sache. Im Roman waren sämtliche Schüler und Lehrer namenlos geblieben, um den Effekt der Anonymisierung noch weiter zu steigern. Jugend ohne Gott schwächt dies nun ab, geht aber nicht weit genug, um daraus echte Charaktere zu machen. Zach bleibt blass, die Liebesgeschichte mit Ewa geht einem nie wirklich nahe, auch die anderen Figuren bleiben im Stereotypen-Niemandsland hängen. Da wäre es besser gewesen, entweder beim Original zu bleiben oder wenn dann mehr zu investieren, anstatt sich jetzt irgendwo in der Mitte aufhalten zu wollen.

Gute Schauspieler, wirkungsvolle Bilder
Dabei versammelt Gsponer eine Reihe talentierter Schauspieler um sich, die in anderen Filmen ihre Klasse demonstrieren durften. Niewöhner wird dann aber doch mal wieder auf den sympathischen Teenie-Frauenschwarm reduziert, der einzige mit einem Gewissen und einem reinen Herzen. Gut gemeint ist das sicher. Aufregend eher weniger. Sehr viel mehr Spaß macht es, Anna Maria Mühe (Mein Blind Date mit dem Leben) und Jannik Schümann (Die Mitte der Welt) zuzuschauen, die in ihren jeweiligen Rollen das Kalte und Menschenverachtende der nicht ganz so fernen Zukunft verinnerlicht haben.

Die Bilder des Films passen sehr gut in diese steril-entmenschlichte Gesellschaft. Die kühle, technologisierte Schule, sie steht in einem wirkungsvollen Kontrast zu der Unberührtheit des Waldes, aber auch zu dem sehr heruntergekommenen Erscheinungsbild der Nicht-Elite-Viertel, das wir zwischendurch zu Gesicht bekommen. Da für Nichtkenner des Romans die Frage nach Zachs Tagebuch durchaus spannend ist und die kritische Auseinandersetzung mit dem Elitebild – trotz gelegentlicher Holzhammerangriffe – wertvolle Denkanstöße mit sich bringt, ist auch diese Interpretation des Klassikers für sich genommen eine lohnenswerte Geschichte. Ob es sie zusätzlich zu den anderen Fassungen gebraucht hätte, das steht jedoch auf einem anderen Blatt.



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„Jugend ohne Gott“ nimmt Handlung und Themen des Romanklassikers, verlegt sie jedoch in eine nicht ganz so ferne Zukunft. Die Übertragung klappt überraschend gut. Weniger geglückt ist jedoch die Fokussierung auf Zach, dafür ist er wie viele andere Figuren auch zu langweilig. Das talentierte Ensemble, wirkungsvolle Bilder und eine zeitlose Kritik an entmenschlichter Effizienz machen aber auch diese Dystopie-Fassung zu einer im Grundsatz lohnenswerten Filmerfahrung.
6
von 10