„Junk Head“, Japan, 2017
Regie: Takahide Hori; Drehbuch: Takahide Hori; Musik: Takahide Hori
Es ging der Menschheit irgendwie schon mal besser. Sicher, den Aufstand ihrer Klone haben sie erfolgreich abgewehrt. Zumindest stehen sie immer noch an der Spitze, während die anderen tief im Inneren der Erde hausen. Dummerweise haben die Menschen aber die Möglichkeit zur Fortpflanzung verloren. Es hilft nichts, ein Wissenschaftler muss da runter, sich alles einmal ganz genau anschauen und vielleicht doch noch einen Weg aus der Unfruchtbarkeit finden. Aber schon auf dem Weg geht alles schief, nach einem schrecklichen Unfall bleibt von dem Forscher nur der Kopf übrig. Der wird von den Unterweltlern zwar auf einen neuen Körper verpflanzt. Doch damit geht das Abenteuer erst richtig los.
Es gab ja mal eine Zeit, da war Stop-Motion eine angesehene und gern verwendete Animationstechnik. Heute beschränkt sich das Angebot aber im Wesentlichen auf die Werke von Laika (Kubo – Der tapfere Samurai, Coraline) und Aardman Animations (Wallace & Gromit – Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen). So könnte man meinen. Hinter diesen beiden Platzhirschen tummeln sich jedoch noch eine Reihe weiterer Künstler, die im Kleinen die altehrwürdige Kunstform am Leben erhalten. Eines der ungewöhnlichsten Beispiele kam letztes Jahr aus einem Land, das man im Allgemeinen gar nicht mit Stop-Motion in Verbindung bringt: Japan. Mehr noch, Junk Head zeigt auf eine eindrucksvolle Weise, wie viel Leben in dieser vergessenen Technik stecken kann.
Eine Welt, wie man sie noch nie gesehen hat
Tatsächlich ist die Reise in den Untergrund visuell eine Offenbarung. Ungewöhnliche Kameraperspektiven, bizarre Designs, dazu gibt es Lichtspielereien und Figuren, die sich in etwas anderes verwandeln, ohne dass die Zwischenschritte erkennbar sind – die Augen bekommen hier eine ganze Menge zu tun. Umso beeindruckender ist, dass dieses Kunstwerk auf einen einzigen Mann zurückzuführen ist: Takahide Hori hat in jahrelanger Kleinstarbeit die Welt und seine Bewohner erschaffen und animiert. Er führte Regie, schrieb das Drehbuch, sogar die abwechslungsreiche elektronische Musik geht auf sein Konto. Beim Abspann muss man schon länger warten, um noch weitere Namen zu entdecken, Junk Head ist die konsequent umgesetzte Vision eines Individuums.
Zumindest in punkto Atmosphäre macht dem Japaner dann auch so leicht niemand etwas vor. Finster ist sein Werk geworden, brutal und gemein. Freund oder Feind? Das ist in Junk Head kaum zu beantworten, die Grenzen zwischen Monster und Mensch sind sehr fließend. Oder auch Robotern, wer will das schon entscheiden. Jeder Schritt könnte der letzte sein. Wenn man gerade mal nicht in einen Abgrund stürzt, wird man von irgendwelchen seltsamen Viechern gefressen. Und selbst die vermeintlich harmlosen und hilfsbereiten Weggefährten haben nichts Besseres zu tun, als dir alles zu nehmen. Oder es zumindest zu versuchen.
Ein faszinierender Horrortrip mit Längen
Das Ergebnis ist eine Mischung aus Alien und We Are the Strange, gekoppelt mit einer postapokalyptischen Welt à la #9. Viel Horror und Science-Fiction, dazwischen aber auch immer mal wieder Humor – auch der von einer finsteren Farbe, natürlich. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Selbst wenn man dabei ums Leben gekommen sein sollte. Das ist faszinierend, teils auch sehr spannend, weil man nie genau sagen kann, was da wohl als nächstes passieren mag. Frei von Längen ist Junk Head jedoch nicht. Hori, der hier einen Kurzfilm auf knapp zwei Stunden ausweitete, wusste nicht so recht, womit er die hinzugewonnene Laufzeit denn nun füllen sollte. Gerade so im Mittelteil schleichen sich deshalb immer wieder Längen ein. Anstatt eine fortlaufende Geschichte zu erzählen, die sich aufbaut und weiterentwickelt, kommen einfach weitere Episoden hinzu. An der Stelle merkt man dann doch die Kurzfilmvergangenheit geplant war. Ein unvergessliches Abenteuer ist der Beitrag vom Anima Festival 2018 aber auch so, der hoffentlich irgendwann auch einmal regulär in Deutschland erscheint.
(Anzeige)