„Kedi“, Türkei/USA, 2016
Regie: Ceyda Torun; Musik: Kira Fontana
Während Hunde den Menschen als ihren Gott akzeptiert haben, hält sich die Katze selbst für einen – so lautet ein bekannter Witz zur Unterscheidung der beiden Vierbeiner. Und zumindest an manchen Stellen in Kedi – Von Katzen und Menschen würde man dies wohl auch so unterschreiben können. Ein Kater, der nur noch feinste Putenbrust fressen mag, ist dabei. Andere ignorieren grundsätzlich die Zweibeiner, wenn sie nicht gerade nötig sind, um den Napf zu füllen. Den eigenen Sitzplatz aufgeben, nur weil ein dahergelaufener Mensch das so will? Wo kommen wir denn da hin?
Die Dokumentation hat aber auch viele rührende Szenen im Angebot. Ein Mann, der im Leben gestrandet war, nicht mehr lachen konnte und wollte, zieht durch die Straßen, füttert die Streuner, versorgt sie und hat dabei nicht nur deren Herzen, sondern auch das eigene gefunden. Es ist erstaunlich, wie viele es davon gibt. Von Katzen, die in den Straßen von Istanbul leben. Von Menschen, die sich derer annehmen. Immer ist da jemand, der etwas zu futtern oder kleine Streicheleinheiten anbietet, reguläre Besitzer wie flüchtige Passanten gleichermaßen.
Ich bin Katze, das ist mein Reich
Und so ganz verdenken kann man es ihnen nicht. Regisseurin Ceyda Torun hat da schon sehr bemerkenswerte und auch abwechslungsreiche Vertreter der Samtpfoten aufgetrieben. Da ist von flauschig-verschmust bis zu dominant-athletisch alles dabei, was das Katzenreich so hergibt. Andere Tiere müssen da zurückstecken. Hin und wieder sieht man einen Hund im Hintergrund, Fische dienen in erster Linie als Futtermittel. Nur an einer Stelle wird eine Katze den Kürzeren ziehen, als sie sich nicht gegen ein Dutzend kreischender Möwen durchsetzen kann, die ihrerseits die Fischbeute für sich beanspruchen.
Düstere Momente bleiben dennoch in der Minderheit. Einmal wird uns der traurige Anblick eines Kätzchens zugemutet, das wohl von einem großen Kater attackiert wurde. Auch das bedeutet Natur, wie uns Kedi erinnert. Ansonsten hat die Doku mit Natur aber nicht viel am Hut. Sie will nicht erklären, sagt nichts über das biologische Wesen einer Katze. Stattdessen steht das Miteinander von Zwei- und Vierbeinern im Mittelpunkt. Und auch dort konzentriert sich Torun auf die schönen, erbaulichen Beispiele. Vernachlässigung oder Konflikte gibt es hier nicht, mögliche Schattenseiten werden konsequent ausgeblendet. Die Filmemacherin ist bei ihrem Debüt überhaupt nicht daran interessiert, mehr als Wohlfühlkino abzuliefern. Denn das würde ihrem Ziel zuwiderlaufen, sich für eine stärkere Integration von Natur – und Katzen – im Leben der Menschen starkzumachen.
Wohlfühlfaktor statt echtem Tiefgang
Ein klein wenig störend sind diese missionarischen Anwandlungen schon, täuschen Tiefe vor, wo nicht wirklich welche zu finden ist. Am Ende ist Kedi eben doch nicht mehr als eine Liebeserklärung an die Katzen, meist verlagert auf die Leute, die Torun vor die Kamera holt. Aber es ist eben eine charmante Liebeserklärung. Eine mit tollen Bildern: Wenn wir mit Bodenkameras den Vierbeinern hinterherjagen, dann tauchen wir tatsächlich in die Welt der Katzen ein, sehen alles aus ihrer Perspektive. Da wird akrobatisch durch die Bäume geklettert, im Abwasser Jagd auf Ratten gemacht, die Jungen gegen potenzielle Feinde verteidigt und zwischendurch richtig Rabatz gemacht, wenn das Futter länger auf sich warten lässt. Zum Ausgleich gibt es danach aber auch immer wieder kleine Nickerchen in der Sonne. Und man muss schon ein ziemlicher Katzengegner sein, um sich in den Momenten nicht selbst dazulegen zu wollen, diese Idylle zu genießen, die innige Vertrautheit von Mensch und Natur.
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