„Landrauschen“, Deutschland, 2018
Regie: Lisa Miller; Drehbuch: Lisa Miller; Musik: Robert Guschel
Darsteller: Kathi Wolf, Nadine Sauter
Eigentlich sollte das doch alles gar nicht so schwierig sein. Zwei Hochschulabschlüsse hat Toni (Kathi Wolf) immerhin in der Tasche, dazu jede Menge Erfahrung. Mag ja sein. Wenn dann aber jemand auftaucht und zusätzlich noch an den besten Unis dieser Welt studiert hat, dann wirkt der Lebenslauf von Toni dann doch ein klein wenig schäbig im Vergleich. Statt der ersehnten Redakteursstelle wird es daher nur ein Praktikum beim Lokalteil. Hat sie dafür wirklich die Großstadt hinter sich gelassen und ist zurück zu ihren Eltern ins Dorf gezogen? Aber auch andere haben so ihre Anpassungsprobleme in der Provinz. Vor allem, wenn sie sich gar nicht anpassen wollen. Rosa (Nadine Sauter) zum Beispiel. Die ist lesbisch, steht dazu und fährt jeden an, der ihr dumm kommt. Was irgendwie die meisten sind. Das imponiert Toni, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als das – was ihre Situation nicht unbedingt einfacher macht.
Es dauert nicht lange, da hat Lisa Miller schon den ersten Lacher auf ihrer Seite. Und auch die ersten Herzen. Dass Toni eigentlich völlig überqualifiziert für die erhoffte Stelle ist, das ist ihr bewusst, das ist dem Publikum bewusst. Nur der Welt da draußen irgendwie nicht. Als ihr Mitbewerber seine Referenzen aufzählt, die schon gar nicht mehr von dieser Welt sind, so gut sind sie, sagt er nur: „Das Übliche eben“. Das spricht jedem aus dem Herzen, der irgendwie alles richtig gemacht hat, fleißig war, der aber trotzdem in der aktuellen Marktlage keine echte Chance hat. Die Generation Praktikum eben.
Es gibt viel zu besprechen, packen wir’s an!
Es ist nicht das einzige gesellschaftlich relevante Thema, welches Miller da anschneidet. Es findet sich im Gegenteil sogar eine ganze Menge in Landrauschen. Da wäre zum einen der offensichtliche Gegensatz zwischen großstädtischer und dörflicher Lebensphilosophie. Auch Homosexualität wird angesprochen, schließlich gibt es da doch den einen oder anderen, der das der Rosa sehr übelnimmt, dass sie Frauen mag. Und nicht Männer, so wie Gott es von ihr will. An der Stelle spielt zudem die individuelle Auslegung von Religion mit hinein. Ach ja, Flüchtlinge tauchen auch noch auf, auch das wird nicht unbedingt gern gesehen. Da soll noch einer sagen, in Bubenhausen bei Neu-Ulm sei nix los!
Es ist eher ein bisschen viel, was Miller da alles hineinpacken will. So wichtig und richtig die einzelnen Motive und Elemente auch sind – was bestimmt ein Grund für den Preisregen beim Filmfest Max-Ophüls-Preis war –, sie werden hier recht schnell und notdürftig abgearbeitet. Der angedachte Mikrokosmos, in dem sich alles im Kleinen widerspiegelt, was die Welt im Großen ausmacht, er ist zu sehr verzweifelter Rundumschlag. Darunter leidet die Authentizität – und das, obwohl hier mit Laiendarstellern gearbeitet wurde und Mundart gesprochen wird. Doch die Pluspunkte, die Landrauschen an solchen Stellen sammelt, sie gehen an anderen wieder verloren, etwa wenn der bemühte Dorfdepphumor exhumiert wird, der zuletzt in den humoristischen Regionalkrimis so populär war.
Da wäre noch mehr drin gewesen
Anders als besagte Filme, die sich in ihrer derben Banalität baden, hätte es Landrauschen aber gar nicht nötig gehabt. Dafür ist der Streifen zu gut und auch zu sympathisch. Die Suche nach einem Sinn in einer Welt, in der vieles irgendwie so gar nicht Sinn ergeben will, das mag man doch immer gern. Dass dies auf die beiden jungen Frauen wie auf das Dorf zutrifft, das ebenfalls in einer globalisierten Welt verlorengegangen ist, das ist eine reizvolle Kombination, mit einer Menge Potenzial. So als wären die Heimatfilme von Marcus H. Rosenmüller aufgewacht und plötzlich gemerkt: Verdammt, was macht denn diese Welt da draußen? Wie passt das jetzt zusammen? Eine wirkliche Antwort, die gibt es hier nicht. Dafür aber jede Menge Fragen, über die man nachdenken darf – weshalb es schön ist, dass der Film zum Abschluss auch noch die Berlinale 2018 besuchen wird. Als Kontrastprogramm sozusagen zu dem Glamour, den dort viele für sich gern in Anspruch nehmen würden.
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