Schloss aus Glas
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Schloss aus Glas

„The Glass Castle“, USA, 2017
Regie: Destin Daniel Cretton; Drehbuch: Destin Daniel Cretton, Andrew Lanham, Marti Noxon
Vorlage: Jeannette Walls; Musik: Joel P. West

DarstellerBrie Larson, Woody Harrelson, Naomi Watts, Max Greenfield, Sarah Snook

Schloss aus Glas DVD
„Schloss aus Glas“ ist seit 8. Februar 2018 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Jeannette Walls (Brie Larson) hat es in ihrem Leben wirklich zu etwas gebracht. Als Kolumnistin ist sie sehr begehrt, die Hochzeit mit dem erfolgreichen Finanzberater David (Max Greenfield) ist schon fest eingeplant. Selbstverständlich war das nicht, dafür war ihre Kindheit zu schwierig. Dafür waren ihre Eltern zu schwierig. Rose Mary (Naomi Watts) war eine ambitionierte, etwas weltfremde Künstlerin, Vater Rex (Woody Harrelson) zeigte als Ingenieur ebenfalls Kreativität. Aber auch einen starken Hang zum Alkohol. Immer wieder kämpfte die Familie um das Existenzminimum herum. Bis Jeannette irgendwann klar wurde: Nur wenn sie alles hinter sich lässt, kann sie es im Leben zu etwas bringen.

Wir lieben sie doch alle, die Geschichten von Menschen, die es allen Widrigkeiten zum Trotz schaffen. Außenseiter, die zu bedeutenden Persönlichkeiten heranreifen. Typische Underdog-Stories eben. Eine solche erzählte Jeannette Walls in ihrem Bestseller Schloss aus Glas, der auf ihrem eigenen Leben beruht und doch geradezu unglaublich klingt. Auf der einen Seite die erfolgreiche Kolumnistin, die mit den Schönen und Reichen dieser Welt verkehrt. Auf der anderen Seite eine sehr hässliche Kindheit in Armut, als Teil einer dysfunktionalen Familie.

Aus der Gosse an die Spitze
Regisseur Destin Daniel Cretton nutzt diesen Kontrast dann auch sehr ausführlich in der Adaption des Buches. Wenn Jeannette gleich zu Beginn im Taxi auf dem Weg zu ihrer Luxuswohnung ist und dabei ihren mehr oder weniger obdachlosen Eltern begegnet, dann sind das zwei Welten, so verschieden, dass man kaum glauben kann, dass es mal eine waren. Es bleibt aber nicht bei dieser einen Gegenüberstellung. Im Gegensatz zu der chronologisch erzählten Vorlage springt der Film kontinuierlich zwischen Kindheit und Erwachsenenalter hin und her. Wo Jeanette und ihre Geschwister im einen Moment noch unter der Willkür und Rücksichtslosigkeit der Eltern leiden, sind sie im nächsten souveräne Individuen.

Das kommt schon ein wenig einem Wunder gleich. Auch nach dem Film. Cretton bemüht sich zwar redlich, die familiären Bande herauszuarbeiten, bei all dem Schatten auch die gelegentlichen lichten Momente nicht auszusparen. Aber es ist irgendwie zu wenig. Die Entwicklung der Walls-Familie, sie findet außerhalb der Kamera statt. Von Jeanettes Geschwistern erfährt man ohnehin so gut wie nichts. Sie waren zwar immer da, dürfen aber nur in Schlüsselmomenten auch mal etwas beitragen – in positiven wie negativen.

Süßlich und wenig subtil
Vor allem zum Ende hin wird Schloss aus Glas auf sehr unangenehme Weise süßlich. Die Familie kommt zusammen, man entdeckt die gemeinsamen Wurzeln, bedankt sich für die gemeinsame Zeit. Ende gut, alles gut. Das ist jedoch ein bisschen viel verlangt, nachdem die Eltern zuvor einen ganzen Film lang als abscheuliche Wesen gezeigt wurden, die ihre Kinder vernachlässigen, wenn nicht gar misshandeln. Einiges davon kann Harrelson in einer gewohnt überzeugenden Performance abfangen, sein Charme lässt einen zwar nicht ganz vergessen, was Rex so da treibt. Aber man ist zumindest hin und wieder versucht, ihm seine vielen Fehltritte zu verzeihen.

Auch an der Stelle wird der Geschichte etwas zum Verhängnis, dass sie im Film deutlich gestrafft werden musste. Selbst bei einer Laufzeit von über zwei Stunden bleibt zu wenig Zeit, um alles organisch herauszuarbeiten. Also darf es dann ein wenig gröber werden, Subtilität ist ein Luxus, den sich hier keiner gönnen mag. Da werden große Reden geschwungen, um auch ja nicht zu riskieren, dass das Publikum etwas falsch versteht oder übersieht. Und das ist schon ein wenig schade, das Material ist eigentlich zu faszinierend, die Besetzung zu prominent und talentiert. Das zeigen zumindest einzelne Szenen, in denen Schloss aus Glas die Bilder für sich sprechen lässt, bei denen Grauen und Träume, Zärtlichkeit und Brutalität oft näher beieinander sind, als einem lieb ist.



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Wie das zugrundeliegende Buch, so erzählt auch die Filmversion die Geschichte einer jungen Frau, die ihrer dysfunktionalen Familie entkam, um erfolgreich im Leben anzukommen. Das hat einzelne starke Momente, auch der prominenten Besetzung wegen. „Schloss aus Glas“ verzichtet aber zu oft auf jegliche Subtilität, statt organischer Entwicklung sind hier wundersame Sprünge und zum Schluss viel Zuckerguss angesagt.
6
von 10