„Lengemesék“, Ungarn, 2017
Regie: Zsolt Pálfi; Drehbuch: Judit Berg; Musik: Pál Simon Fejér
Einen großen Traum hat Willy Whistle im Leben: Er möchte endlich zu der Wache gehören! Doch dafür ist er noch zu klein, selbst für die nur wenige Zentimeter großen Verdies. Erst einmal müssen seine grünen Haare braun werden. Denn erst dann zählt man als Kobold als Erwachsener. Nun ist Geduld leider keine besonders große Tugend von Willy. Er kann es gar nicht abwarten, große Abenteuer zu erleben, die Welt kennenzulernen, an spannenden Rennen mit den Fröschen teilzunehmen. Doch genau das bring ihn immer wieder in Schwierigkeiten, am Ende sogar in Gefahr – schließlich leben auch die Grimps und die Schwäne am See. Und die führen doch immer etwas Böses im Schilde.
Eines muss man den Veranstaltern des Kinder- und Jugendfilmfests Schlingel ja lassen: Sie werden an den ungewöhnlichsten Orten fündig, wenn es darum geht, das Programm zu füllen. Gerade das Segment Animation war 2017 in Ländern unterwegs, die man beim besten Willen nicht als Hochburgen der Animationskunst kennt – zumindest nicht mehr. Norwegen (In the Forest of Huckybucky) war dabei, Russland (Fantastic Journey to Oz) und die Ukraine (The Dragon Spell). Und eben auch Ungarn. Das mitteleuropäische Land hatte zwar in den 60ern und 70ern einige Kultklassiker hervorgebracht, wie etwa Heißer Draht ins Jenseits oder Das Nilpferd Hugo. Insgesamt ist das Land jedoch komplett vom Radar verschwunden.
Schlicht ist Trumpf
Daran wird Tales from the Lakeside eher nichts ändern, auch wenn der Film dank Netflix unter dem Titel Geschichten vom See: Willy und die Wächter des Sees auch nach Deutschland kommt. Denn dafür ist er zu schwer zu verkaufen. Mit den derzeit üblichen CGI-Blockbustern kann es die deutlich günstigere Produktion nicht aufnehmen. Sie ist schlichter, sowohl was das Setting wie auch die Animation angeht, deutlich statischer und rudimentärer. Ein wenig erinnert der Film mit seinen starren Perspektiven an Kiriku und die Zauberin. Nur dass wir hier nicht in der kargen Steppe Afrikas unterwegs sind, sondern in einer grünen Seelandschaft. Viel Abwechslung gibt es dort nicht, die Hintergründe und Figuren sehen doch immer recht ähnlich aus.
Inhaltlich ist Tales from the Lakeside ebenfalls etwas schlichter gehalten, schließlich richtet man sich hier an ein sehr junges Publikum. Dieses darf dafür seinen Spaß haben und sich vielleicht auch in Willy wiederfinden, der unter den blöden Regeln der Erwachsenen zu leiden. Er ist mutig und gewitzt, ideenreich bei seinen Erfindungen, dabei ein treuer Freund. Einer der schönsten Momente des Films ist, als er einer Kaulquappe beisteht, die ein nur verkrüppeltes Bein hat – kein Grund für Willy, ihn nicht zu seinem Rennkompagnon zu ernennen. Zudem ist er es zwar, der den Tag und sein Volk rettet, er tut dies jedoch gemeinsam mit anderen. Im Reich der Kobolde und Tiere wird Teamwork noch groß geschrieben.
Eine Geschichte wie aus einer anderen Zeit
Das ist nicht so wahnsinnig originell oder fantasievoll, trotz der Fantasywesen. Vielmehr ist Tales from the Lakeside ein klassisches Volksmärchen, wie man es sich in alten Büchern gut vorstellen könnte, die man versteckt im Regal bei Oma und Opa gefunden hat. Man könnte auch sagen altmodisch, auf eine irgendwie wohltuende Weise. Hier ein bisschen Humor, dort kleinere Abenteuer und dabei immer die Sehnsucht nach Anerkennung – fertig ist die Kinderunterhaltung. Ob die ständigen Regelverstöße von Willi nun pädagogisch wertvoll sind, darüber ließe sich streiten. Ansonsten kann man diesen sympathischen Streifen aber ohne größere Vorbehalte den lieben Kleinen zeigen, sofern sich denn mal eine Gelegenheit dazu bietet.
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