„Danchi“, Japan, 2016
Regie: Junji Sakamoto; Drehbuch: Junji Sakamoto; Musik: Gorô Yasukawa
Darsteller: Naomi Fujiyama, Ittoku Kishibe
Es ist noch gar nicht so lange her, da führten Hinako (Naomi Fujiyama) und Seiji Yamashita (Ittoku Kishibe) einen florierenden Heilkräuter-Laden. Doch als ihr Sohn starb, da starb auch etwas in ihnen. Seither leben sie zurückgezogen in einer Wohnanlage, kümmern sich um ihren Alltag und trennen brav ihren Müll. Der einzige Versuch, wieder ein bisschen mehr aus ihrem Leben zu machen, endet in einer absoluten Demütigung – keiner will Seiji zum Vorsitzenden der Hausgemeinschaft machen. Eine Schmach für den älteren Herrn, der daraufhin beschließt, sich in einer Bodenklappe zu verstecken, wann auch immer sich Besuch ankündigt. Ohne zu ahnen, wie sehr er damit die Gerüchteküche im Haus befeuern wird. Da kommt eines Tages ein junger Mann vorbei und macht den beiden ein schier unglaubliches Angebot …
Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen. Das ist keine neue Erkenntnis? Stimmt. Und doch drängt sie sich beim Anschauen von The Projects auf. Ein Film, den man zu kennen glaubt. Ein Film, der etwas anderes. Ein Film, der etwas ist, von dem man gar nicht so genau sagen kann, was es denn ist oder sein soll. Ein komischer Film ist er, das zumindest ist klar. Komisch in dem Sinn, dass er einem zum Lachen bringt. Komisch aber auch, weil vieles mindestens seltsam ist. Und das ist erst der Anfang.
Traurig ist, wenn man trotzdem nicht weint
Eigentlich ist er ja traurig, dieser Anfang. Das eigene Kind zu verlieren, das gehört sicherlich zu den schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Von daher würde sich The Projects als Drama anbieten. Ein Feel-Good-Drama womöglich, wenn die gramgebeugten Eltern in ihrer Isolation der Wohnanlage ein neues Glück finden. Sie finden aber eben nicht das Glück, sondern wählen eine Isolation, die auf groteske Weise noch sehr viel weiter geht. Wie kommt man darauf, sich in einer Bodenklappe verstecken zu wollen?
Schon vorher zeigt Regisseur und Drehbuchautor Junji Sakamoto seine Vorliebe fürs Skurrile. Eigentlich haben sie ja alle einen Schaden, die diversen Bewohner der Anlage. Die eine durchwühlt den Müll, um Umweltsünder zu überführen. Eine andere verbreitet als Ehefrau eines Journalisten die krudesten Theorien, was die Yamashitas da so treiben. Und schwupps steckt man auch selbst in der nächsten Annahmefalle: The Projects ist eine dieser japanischen Außenseiter-Komödien, die schrägen Humor mit warmherzigen Geschichten verbinden. Ein Nachbar von Herr Fuku-chan von nebenan.
Ha ha, das war … hä?
Das ist nett, sympathisch, unterhaltsam. Ein bisschen harmlos vielleicht. Wirklich in Erinnerung bleibt der 2017er Beitrag vom japanischen Filmfest Nippon Connection aber durch das, was im letzten Drittel passiert. Vorboten der seltsamen Ereignisse tauchten vorher schon mal auf. Aber selbst besonders fantasiebegabte Zuschauer dürften kaum vorhersehen, was sich Sakamoto für den Endspurt aufgehoben hat. Skurril und lustig bleibt es. Es kommt sogar noch die Portion Herz mit ins Spiel, die man am Anfang vermutet hätte. Vor allem aber wird es zunehmend surreal.
Bemerkenswert: The Projects braucht dafür nicht einmal Bilder. Die bleiben fast den gesamten Film über gleich, die unfassbaren Elemente werden nicht gezeigt. Das mag man schade finden, ist bestimmt auch auf das geringe Budget zurückzuführen. Und doch passt es eben zu einem Film, der nicht das ist, wonach er aussieht. Denn wer nicht zeigt, was er hat, ist automatisch anders. Ist das auch automatisch gut? Vielleicht nicht. Aber wenn wir hier eine Welt kennenlernen, die gleichzeitig unsere ist und wieder nicht, gefühlvoll und hochtechnisch, absurd und tragisch, dann wird man diese nur schwer wieder vergessen können. Denn dafür müsste erst einmal die Frage beantwortet sein: Was zum Himmel habe ich da gerade gesehen?
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