„The Smell of Us“, Frankreich 2014
Regie: Larry Clark; Drehbuch: Mathieu Landais, Larry Clarke; Musik: Howard Paar
Darsteller: Lukas Ionesco, Diane Rouxel, Théo Cholbi, Hugo Behar-Thiniéres, Ben Yaiche Ryan
Die Pariser Freunde Pacman (Théo Cholbi), JP (Hugo Behar-Thiniéres) und Math (Lukas Ionesco) vertreiben sich die Zeit mit skaten, Sex und Party machen. Doch Alkohol, Drogen und die neuesten Klamotten sind teuer und so beschließen sie ihre Körper zu verkaufen. Jeder hat dabei sein eigenes Klientel: Während Pacman älteren Damen seine Dienste anbietet und JP sich vor der Webcam gegen Geld auszieht, prostituiert sich Math für ältere Männer, welche jeden noch so abgedrehten Fetisch mit ihm ausleben können. Das Geld wird zwar immer mehr, dafür aber etwas Wichtigeres immer weniger – ihre Selbstachtung. Sie verlieren immer mehr den Bezug zur Realität und nicht nur die Freundschaft leidet darunter.
Kaum ein Film hat das Aufwachsen in den 90ern so beeindruckend eingefangen und geprägt wie Larry Clarks Spielfilmdebüt Kids (1995). Wenn auch in New York angesiedelt, erzählte das Drama im Kern dieselben Thematiken wie nun auch The Smell of Us: skatende Jugendliche, die saufen, rauchen und durch die Gegend vögeln. So platt sich das nun anhört, so intensiv und ehrlich war das Ergebnis. Nominiert für die Goldene Palme und die Goldene Kamera, atmete Kids nicht nur den Zeitgeist, sondern lebte ihn. Die Grenze von Realität und Fiktion wurde aufgelöst, aus Kunst wurde ein Dokument der Zeit und umgedreht. Und selbst Clarks kontrovers diskutierter Ken Park (2002) kann eine gelungene Inszenierung eines zeitgenössischen Porträts nicht abgesprochen werden. Auch wenn sich erste Anzeichen erkennen ließen, dass der Regisseur das Gefühl für die gezeigte Generation vielleicht langsam zu verlieren schien.
Die (heutige) Realität sieht anders aus
Weitere 12 Jahre später (The Smell of Us entstand bereits 2014, bekommt aber erst jetzt in Deutschland eine Veröffentlichung) hat sich diese Vermutung auf bittere Weise bestätigt. Clark hat den Zugang zu seiner bevorzugten Altersgruppe völlig verloren, das Gezeigte ist so realitätsfern, dass es eher zum Schmunzeln oder Kopfschütteln anregt. Der Inhalt bleibt gleich (Skaten, kiffen, f*cken), die Inszenierung verändert sich. Doch wenn ein Regisseur denkt, er würde eine Generation authentisch darstellen, nur weil er sich ihre technischen Eigenheiten zu Nutzen macht, täuscht er sich. Auch wenn der Mix aus Hochglanz-, GoPro- und Handybildern von Kamerafrau Héléne Louvart (Beach Rats, Xenia – Eine neue griechische Odyssey) moderne Gestaltungsformen aufgreift, ist dieser ästhetische Kniff einfach nicht ansatzweise ausreichend, um über die Eindimensionalität der inhaltlichen Gestaltung und sämtlicher Protagonisten hinwegzutäuschen.
Einzig Math zeigt Anzeichen von Emotionen und irgendeiner Charakterentwicklung, doch werden diese Anflüge meist direkt wieder durch andere unmotiviert-absurde Szenen zerstört. Jetzt könnte man meinen, dass das vielleicht alles Absicht ist. Das ist eben unsere heutige Jugend – emotionslos, ziellos herumirrend, fixiert auf Sex, Drogen und Materielles. Damit würde Clark aber wohl selbst sein filmisches Erbe zerstören – ein Erbe, das es völlig frei von Klischees und mit detailverliebter Beobachtungsgabe schaffte, vorangegangene Generationen auf den filmischen Punkt zu bringen. Man könnte The Smell of Us mit viel Wohlwollen auch noch als selbstreflexives Biopic eines verirrten und ernüchterten Filmemachers sehen. Denn wenn Clark sich im Film selbst als Penner „Rockstar“ präsentiert und melancholisch den Blues singt, wird man das Gefühl nicht los, hier inszeniert ein Regisseur, der die gute alte Zeit vermisst und für den die heutige Jugend einfach nicht mehr greifbar ist. Doch das wäre wohl zu viel der Interpretation …
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