Virgin Psychics
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The Virgin Psychics

„Eiga: Minna! Esper Dayo!“, Japan, 2015
Regie: Sion Sono; Drehbuch: Sion Sono; Vorlage: Kiminori Wakasugi; Musik: Tomohide Harada
Darsteller: Shôta Sometani, Makita Sports, Motoki Fukami, Ken Yasuda, Elaiza Ikeda, Erina Mano, Megumi Kagurazaka

Virgin Psychics
„The Virgin Psychics“ läuft am 2. März 2018 im Kino

Es war eine erfolgreiche Nacht im Leben von Yoshiro (Shota Sometani). Eine schöne Nacht. Eine befriedigende. Aber keine gewöhnliche: Während der Schüler mal wieder darüber nachgrübelte, an welche hübsche Frau er beim Onanieren denken sollte, wird die Erde von einem kosmischen Lichtstrahl getroffen. Seither ist nichts mehr so, wie es vorher mal war. Yoshiro selbst kann nun Gedanken lesen, auch andere Menschen aus seinem Umfeld verfügen fortan über außergewöhnliche Kräfte. Kein Zufall, wie er bald erfährt, sondern das Ergebnis eines seltenen Phänomens. Das kann ganz praktisch sein. Leider gibt es aber auch solche, die ihre neugewonnenen Fähigkeiten für finstere Zwecke nutzen wollen. Und so schließt sich der jungfräuliche Gedankenleser bald einer ganzen Gruppe von Sex-Superhelden an, um gemeinsam die Welt zu retten.

Wenn man sich bei Sion Sono auf eins verlassen kann, dann das: Wenn der japanische Ausnahmeregisseur einen neuen Film dreht, wird es eigen. Sehr eigen sogar. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil er so viele davon dreht, zeitweise zumindest. Allein 2015 waren es ein halbes Dutzend verschiedener Werke, darunter die melancholische Meditation The Whispering Star, das Weihnachtsmärchen Love & Peace und die surreale Splatterkomödie Tag. Nun kommt mit The Virgin Psychics ein weiterer Film aus dieser Zeit nach Deutschland, in die Kinos sogar. Das ist grundsätzlich eine feine Sache, selbst wenn das Ergebnis nicht ganz so fein ist. Und auch nicht ganz so gut wie die Beispiele oben.

Auf der Suche nach einer Handlung
Schon zweimal hatte Sono zuvor den zugrundeliegenden Manga von Kiminori Wakasugi adaptiert, einmal als TV-Serie, einmal als TV-Movie. Bei The Virgin Psychics handelt es sich jedoch um die Kinofassung, die nur kurze Zeit nach dem Fernsehfilm gedreht wurde – verwirrenderweise mit einem nicht ganz identischen Cast. Befürchtungen des deutschen Publikums, man könne eventuell aufgrund der fehlenden Vorkenntnisse der Handlung nicht folgen, stellen sich aber als unbegründet heraus: Es gibt keine wirkliche Handlung, der man folgen müsste.

Die Sache mit dem kosmischen Licht beispielsweise, die wird nie auch nur ansatzweise befriedigend erklärt. Soll aber auch gar nicht. Sie ist für Wakasugi und damit indirekt eben auch für Sono nur ein Anlass, den Protagonisten die unterschiedlichsten Fähigkeiten zu verleihen. Einige davon sind praktisch, im Superheldenumfeld auch durchaus etabliert. Gedanken lesen, die Kunst der Teleportation, Zukunftsvisionen – das ist klassisches Fantasy- bzw. Comicmaterial. Teilweise ist The Virgin Psychics dann auch so etwas wie die japanische Ausgabe der X-Men, eine Ansammlung übernatürlich begabter Helden wider Willen.

Der Unterschied liegt in dem Sexumfeld, das den Rahmen für die Fähigkeiten bildet. Nur Jungfrauen, die sich selbst befriedigen, kommen für die Segnung mit den Kräften in Frage. Die meisten Figuren sind dann auch sexuell unerfahrene Sexsüchtige, die bei jeder sich bietenden Situation eine Erektion bekommen oder ein bisschen glotzen wollen. Für den Weltfrieden natürlich. Das ein Grundgedanke, bescheuert genug, dass er eines Sonos würdig ist. Denn je abwegiger die Geschichte, umso besser.

Überraschend harmlose Sexfantasien
Doch trotz der eigentlich witzigen Idee und der expliziten Thematik, The Virgin Psychics ist einer der weniger anregenden Filme im beeindruckenden Werk des Japaners. Die kleineren Albernheiten werden einfach zu oft wiederholt, als dass sie eine knapp zwei Stunden dauernde Geschichte wirklich tragen könnten. Und auch sonst gibt es keine Entwicklung. Die Figuren sind Stereotypen ohne großen Reiz, nicht einmal Sometani, mit dem Sono zuvor unter anderem das tieftraurige Himizu gedreht hat, schafft es, aus dem dünnen Charakterlein etwas Interessantes herauszuholen.

Zumal die Erotikkomödie überraschend zahm ist: Über Sex wird viel geredet, gezeigt aber nicht. Das liegt auch im Konzept begründet. Wenn nur Jungfrauen eine Rolle spielen dürfen, bedeutet das im Umkehrschluss, dass alle Jungfrauen bleiben müssen. Aber auch sonst bleibt der Film harmlos, die abgründigen Tendenzen von Sono sind hier nirgends zu finden. Vielmehr erinnert das hier an die banalen Teenie-Sexklamotten, wie es sie früher zuhauf gab. In einer Zeit vor Internetporno, als die bloße Erwähnung von nackten Brüsten noch etwas Verruchtes an sich hatte. Das ist ein netter Spaß, skurril, mit teils schön absurden Momenten. Aber manchmal auch eher langweilig bis anstrengend.



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Eine Gruppe von masturbierenden Jungfrauen erhält plötzlich übernatürliche Kräfte, das ist doch ein gefundenes Fressen für Sion Sono! Im Vergleich zu anderen Werken des japanischen Ausnahmeregisseurs ist die Manga-Adaption „The Virgin Psychics“ jedoch überraschend harmlos und banal. Das skurrile Szenario reicht hier nur zu einer gleichzeitig überzogenen und doch altmodischen Teenie-Sexkomödie.
5
von 10