„Un homme est mort“, Frankreich, 2018
Regie: Olivier Cossu; Vorlage: Étienne Davodeau, Kris
Im Jahr 1950 ist die französische Hafenstadt Brest mitten im Aufbau. Der Bedarf an Arbeitern ist groß, die Verwüstungen während des Zweiten Weltkriegs enorm, die Bedingungen dafür hart. Immer wieder rufen die Gewerkschaften zu Streiks auf, um Verbesserungen zu erzwingen. Doch die Behörden zeigen sich unnachgiebig. Bei einer erneuten Protestaktion kommt es zu einer Katastrophe: Die Polizei schießt auf die aufgebrachte Menge und tötet dabei einen der Demonstranten. Zufällig befindet sich der aufstrebende Filmer René Vautier vor Ort und filmt den Vorfall. Gemeinsam mit den Arbeitern beschließt er, den Film fertigzustellen und damit durch ganz Frankreich zu touren, um so die Öffentlichkeit wachzurütteln.
Wenn von erwachsenen Animationsfilmen die Rede ist, dann denken hierzulande viele erst einmal an Vertreter, die sich durch Gewalt oder auch Sex hervortun, manchmal besonders derben Humor. Die Werke von Ralph Bakshi oder Bill Plympton zum Beispiel. Vielleicht auch South Park. Dass es ganz anders geht, zeigt eine kleine französische Produktion, welche dieser Tag beim Anima Filmfest in Brüssel gezeigt wurde. Humor und Sex fehlen hier völlig. Gewalt gibt es, sie findet aber außerhalb des Bildschirms statt.
Kleine Geschichtsstunde
Grundlage für Un homme est mort bildet die gleichnamige Graphic Novel von Étienne Davodeau und Kris. Darin befassen sich die beiden Comickünstler mit dem Arbeiter Édouard Mazé, der am 17. April 1950 während einer Kundgebung getötet wurde. Mancher sagt sogar, es wäre Mord gewesen. Aufgeklärt wurde der Vorfall nie. Und auch der Film von René Vautier, der durch seine politischen Dokumentarfilme berühmt wurde, ist inzwischen verschollen. Das öffnet natürlich Tür und Tor für die Verschwörungstheoretiker dieser Welt. Glücklicherweise verzichtete das Duo jedoch darauf, dieser Möglichkeit nachzugehen.
Un homme est mort ist dann auch ein Film, der das Spektakel meidet und sich lieber auf die fiktiven Figuren stützt, die mit Mazé die kleine Tour starten. An einer Stelle wird es dabei dramatischer. Auch ein engagierter Arbeiter ist schließlich nur ein Mensch, da können durchaus ganz andere Faktoren eine Rolle spielen als der Wunsch nach Gerechtigkeit. Es ist aber eher die Ausnahme. Ruhig ist das Werk, teilweise etwas ereignislos. Es hat der Geschichte leider auch nicht so wahnsinnig viel hinzuzufügen. Wer von dem Vorfall schon einmal gehört hat, erfährt nicht viel Neues. Zumindest aber Neulinge erhalten einen kleinen Einblick darin, was es bedeutete, damals in den 1950ern um seine Rechte zu kämpfen.
Zwischen Licht und Schatten
Das ist visuell auch stimmig umgesetzt. Die Animationen sind teilweise ziemlich holprig, es schleichen sich auch an mehreren Stellen unschöne CGI-Elemente hinein – da merkt man dann doch das für diesen Bereich verschwindend geringe Budget von zwei Millionen Euro. Dafür entschädigen an anderen Stellen kleinere Spielereien wie Lichteffekte, Spiegelungen in Pfützen, auch ein Wechsel in Schwarzweißbilder, wenn wir Filme im Film sehen. Die Designs der Figuren sind dabei realistisch gehalten, passend zu der Geschichte. Vor allem aber die leicht stilisierten Hintergründe sind sehr schön anzuschauen. Produziert wurde der Film übrigens beim Animationsstudio Les Armateurs, dem wir unter anderem Ernest & Célestine und Die langen großen Ferien verdanken. An diese beiden Höhepunkte reicht das hier zwar nicht heran. Ein willkommener Beweis, dass der Animationsfilm mehr kann, als so mancher ihm zutraut, ist Un homme est mort dennoch.
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