Bamy

Bamy

„Bamy“, Japan, 2017
Regie: Jun Tanaka; Drehbuch: Jun Tanaka
Darsteller: Hiromi Nakazato, Hironobu Yukinaga, Misaki Tsuge

„Bamy“ läuft im Rahmen des 18. Nippon Connection in Frankfurt a. Main (29. Mai bis 3. Juni 2018) und des 19. Japan-Filmfests Hamburg (23. bis 27. Mai 2018)

Es war der Zufall, der die beiden zusammengebracht hat. Das und ein roter Regenschirm, der aus dem Himmel herabsegelte. Lange haben sich Fumiko (Hiromi Nakazato) und Ryota (Hironobu Yukinaga) schon nicht mehr gesehen. Drei Jahre muss es her sein, dass sie auf dieselbe Universität gingen. Bis sie sich vor dem Hochhaus wiedersehen. Sie werden sich noch oft sehen in der Folgezeit, ein Jahr später ist sogar von einer Hochzeit die Rede. Doch das junge Glück wird immer wieder von Ryotas seltsamer Geistesabwesenheit getrübt. Und auch bei der Arbeit hat er häufig Probleme sich zu konzentrieren. Aus gutem Grund: Regelmäßig begegnet er im Alltag Geistern, die nur er sehen kann und von denen sonst niemand erfahren sollte.

Horrorfilme aus Japan, das war einst ein weltweit sehr gefragter Bereich. Heute interessiert sich jedoch kaum einer mehr für die fernöstlichen Ausflüge in die Schattenwelt. Nicht einmal die heimische Filmindustrie. Ein paar Tausend Euro sollen Jun Tanaka dann auch nur zur Verfügung gestanden haben, als er Bamy drehte. Mehr nicht. Ein Betrag, der noch nicht einmal reicht, um sich wirkliches Filmequipment leisten zu können. Umso erstaunlicher ist es, was der Regisseur und Drehbuchautor bei seinem Spielfilmdebüt abgeliefert hat. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass sein Werk große Aufmerksamkeit erregen wird, von einem Revival des sogenannten J-Horror ganz zu schweigen: Vergessen wird man es nicht. Dafür ist es viel zu eigenwillig, zu seltsam. Manchmal auch zu albtraumhaft.

Ein farbloser Ausflug ins Grauen
Dabei sind die stilistischen Mittel analog zu den finanziellen minimal. Farbe zum Beispiel. Irgendwie hat es Tanaka geschafft, aus dem ohnehin schon eher dezent grauen Tokio auch noch jedes letztes bisschen Farbe zu entziehen. Des Öfteren muss man schon zweimal schauen, um überhaupt noch erkennen zu können, ob Bamy kein Schwarzweißfilm ist. Ausnahmen in der lebensfremden Umgebung gibt es natürlich, allen voran der dunkelrote Regenschirm. Ein bisschen wie der rote Mantel in Schindlers Liste. Nur dass dieses eigentlich praktische Utensil hier nicht ein Tupfer Menschlichkeit in einem unmenschlichen System ist. Wenn dann ist eher das Gegenteil der Fall, wenn wir hier etwas zu sehen bekommen, das eigentlich gar nicht existieren kann, existieren darf.

Aber was existiert schon wirklich? Gibt es diese Geister, welche offenbar nur Ryota sehen kann, oder sind sie Ausdruck seines eigenen auseinanderbrechenden Geistes? Im Horrorbereich gehören diese Fragen zum Standardkatalog: Es liegt in der Natur dieser Filme, dass das Grauen sich langsam und nur punktuell ausbreitet. Der Protagonist muss traditionell schreckliche Erfahrungen sammeln, ohne dass ihm auch nur einer glauben würde. Das ist bei Bamy ähnlich, gleichzeitig aber auch nicht. Die unheimlichen Begegnungen des jungen Mannes bleiben ohne erkennbare Folgen für ihn. Keine Tote, keine Verletzten. Das Umfeld reagiert auf dessen Abwesenheiten und eigenartige Verhaltensweisen dann auch in erster Linie mit Verwunderung.

Ein Geist in allen Genres
Es hat sogar ein bisschen was Komisches, wenn Ryota sich der ungebetenen Verfolger entledigen will. Allgemein wandelt Bamy an recht vielen Genregrenzen herum, kümmert sich nicht darum, ob er noch Horror oder schon Drama ist, Fantasy oder Komödie. Zusammengehalten wird diese seltsame Melange dann auch weniger durch solche festen Kategorien. Auch die Geschichte tut nicht viel dafür, einen roten Faden fortzuspinnen – dafür bleibt das Geschehen zu rätselhaft, verzichtet auf jegliche erklärenden Hilfsmittel. Warum beispielsweise Ryota diese Geister sehen kann und andere nicht, das kann oder will hier niemand beantworten.

Was den 2018er Beitrag vom japanischen Filmfest Nippon Connection und dem Japan-Filmfest Hamburg zusammenhält und letztendlich auch auszeichnet ist die Atmosphäre, die zwischen beklemmend und seltsam umhergeistert. Die dann und wann sogar ausgesprochen surreal wird, egal ob nun mit komischen oder melancholischen Untertönen. Und auch die kunstvollen Bildkompositionen, die mit ausgefallen Perspektiven einhergehen, bleiben auf einem durchgehend hohen Niveau, halten zusammen, was doch kaum fassbar ist. Für Freunde klassischer Horrorfilme ist Bamy weniger geeignet, mit dem J-Horror von einst hat das kaum etwas zu tun. Denn auch wenn sich immer wieder schreckliche Höhepunkte ankündigen, unter Einsatz einer dramatisch-unpassenden Musik, die befreienden Schreckmomente bleiben aus. Die Geister schleichen umher, verfolgen uns, wollen uns nicht in Frieden lassen. Sind da und sind nicht da, Teil eines Fluches, von dem man nicht einmal mit Gewissheit sagen könnte, dass er einer ist. So wie man sich hier allgemein besser auf nichts verlassen sollte.



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„Bamy“ führt uns vor Augen, dass es nicht viel Geld braucht, um einen außergewöhnlichen Horrorfilm auf die Beine zu stellen. Mal komisch, dann wieder melancholisch oder auch einfach nur seltsam geistert die Genremischung umher, verzaubert und verstört durch surreale Einfälle und kunstvolle Bilder – obwohl eigentlich so gut wie nie etwas passiert.
7
von 10