„Blanka“, Italien/Japan/Philippinen, 2015
Regie: Kohki Hasei; Drehbuch: Kohki Hasei; Musik: Aska Matsumiya, Alberto Bof, Francis de Veyra
Darsteller: Cydel Gabutero, Peter Millari
Der Vater? Den hat sie nie gekannt. Und auch die Mutter ist inzwischen fort, hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Blanka (Cydel Gabutero) ist jedoch nicht der Art Mensch, der sich davon unterbringen ließe. Mit Einfallsreichtum, Schneid, manchmal auch einer großen Klappe kommt sie über die Runden. Sie lebt in einem Karton auf den Straßen Manilas und finanziert sich durch kleinere Diebstähle. Eines Tages lernt sie dabei den blinden Gitarrenspieler Peter (Peter Millari) kennen, der fortan ihr Leben verändert. Schließlich weckt er in ihr die Liebe zur Musik und die Erkenntnis, dass sich auch legal Geld verdienen lässt – als Sängerin. Und Geld braucht sie, eine Menge sogar. Denn nur so kann sie sich eine Mutter kaufen.
Es ist eine Schlussfolgerung, wie sie wohl nur Kinder haben können. Die auf der einen Seite so absurd erscheint, dass man gar nicht so recht weiß, was man darauf erwidern sollte. Die gleichzeitig aber nicht ohne ihre eigene Logik ist. Wenn Erwachsene Kinder adoptieren können, wie Blanka eines Tages im Fernsehen sieht, warum können dann Kinder keine Erwachsenen adoptieren? Sie wäre ja sogar bereit, dafür Geld auszugeben. Und das ist schließlich etwas, was sonst nicht gerade eines ihrer großen Anliegen ist.
Der ständige Kampf ums Überleben
Das ist witzig, putzig und gleichzeitig natürlich tragisch – die Sehnsucht nach einer Familie. Allgemein hat Regisseur und Drehbuchautor Kohki Hasei bei seinem Spielfilmdebüt das Kindlich-Märchenhafte mit dem Ernsthaften-Tristen verknüpft. Sämtliche Protagonisten leben auf der Straße, unter ärmsten Bedingungen. Leben von einem Tag zum nächsten, weil ihnen gar nichts anderes übrigbleibt. Sicherheiten gibt es dabei keine: Selbst wer es schafft, ein bisschen Geld anzuhäufen, läuft immer Gefahr, selbst ausgeraubt zu werden oder auch an andere schlimme Menschen zu geraten.
Gleichzeitig will Hasei seinem Publikum aber nicht zu viel zumuten, orientiert sich lieber an jungen Zuschauern als an Erwachsenen. Denn auch wenn Blanka von einem Unglück ins nächste stolpert, es geht dann doch alles irgendwie gut aus. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, dass dem Mädchen wirklich etwas passieren könnte. Die Armut, unter der die Menschen in Manila leiden, sie wird nie so richtig spürbar. Es fehlen die tatsächlich schmerzhaften Momente, die rauen Momente.
Ständig in Bewegung, keine Entwicklung
Das größere Problem ist jedoch, dass Blanka eine tatsächliche Entwicklung fehlt. Am ehesten ist diese noch beim Verhältnis von Blanka und Peter zu finden, der mit der Zeit dann doch mehr sein darf als eine potenzielle Einnahmequelle. Dabei verändert er sich im Laufe der rund anderthalb Stunden nicht, bleibt von Anfang bis zum Schluss der freundliche, gutmütige alte Mann, mit dem man fast alles machen kann. Das ist als Charakter nicht besonders spannend, so wie die ganzen Nebenfiguren etwas unmotiviert in der Gegend herumstehen und herumstehlen.
Dafür ist die nicht unbedingt heldenhafte Titelheldin umso lebhafter, eine sehenswerte Mischung aus Abgebrühtheit und sehnsüchtiger Kindlichkeit. Und sie ist tatsächlich musisch begabt: Wenn Cydel Gabutero zu singen beginnt, würde man sich wünschen, dass der Film ihr sehr viel häufiger die Gelegenheit dazu geben würde. Leider sind die Auftritte jedoch selten, stattdessen steht die Suche nach Geborgenheit im Mittelpunkt. Die ist manchmal durchaus rührend, weshalb das festivalerprobte Blanka – unter anderem standen 2017 Teilnahmen am Nuremberg International Human Rights Film Festival und beim Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg auf dem Programm – gerade auch etwas fürs Herz ist. Aber auch dem Auge wird einiges geboten, wenn wir durch die Straßen Manilas streifen, Schönes und Hässliches Hand in Hand gehen, man zum Ende gar nicht mehr sagen kann, wo das eine aufhört und das andere beginnt.
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