Die Farbe der Sehnsucht
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Die Farbe der Sehnsucht

„Die Farbe der Sehnsucht“, Deutschland, 2016
Regie: Thomas Riedelsheimer

Die Farbe der Sehnsucht DVDDas Schöne an Dokumentarfilmen ist, dass man sie zu praktisch jedem Thema drehen kann. Einzelne Leute bieten sich dafür ebenso an wie Gesellschaften oder Gemeinschaften. Andere wollen vielleicht schöne Landschaften vorstellen oder historische Vorgänge erläutern. Aber ein Gefühl? Wie lässt sich etwas in Bilder fassen, das naturbedingt bildlos ist? Das sich vielleicht noch nicht einmal wirklich definieren lässt? Eine diffuse, intuitive Vorstellung von Gefühlen wie eben der Sehnsucht, die hat jeder. Diese Vorstellung mit anderen teilen zu können, das ist jedoch nur wenigen vorbehalten.

Thomas Riedelsheimer wollte einer dieser wenigen sein. Vielleicht interessierte er sich aber auch einfach nur für die Menschen und ihre Geschichten. Das hat der Münchner Regisseur schließlich schon immer getan, zuletzt in Leaning into the Wind über den Naturkünstler Andy Goldsworthy. In Die Farbe der Sehnsucht kommen jedoch keine Prominenten zu Wort. Die wenigsten hätten auch Interesse daran. Dafür sind sie zu viel mit ihrem Leben beschäftigt oder auch dem der anderen.

Düsteres von der Sonneninsel
Es sind vor allem die zwei Episoden aus Japan, die einem hier zu Herzen gehen. Die erste erzählt von Kanayo Ueda, die in Tokio ein Café für Mittellose betreibt. Dort finden die Obdachlosen, die am Rand der Gesellschaft verlorengingen, einen Ort, an dem ihre Stimme wieder gehört wird. Wortwörtlich: Ueda setzt auf Poesie, als Gegenmittel zu der unbarmherzigen Welt da draußen. Der zweite Ausflug ins Land der aufgehenden Sonne führt uns an eine Klippe, an der sich regelmäßig Menschen in den Tod stürzen. Sie führen zu einem pensionierten Polizisten, der zusammen mit anderen eben denjenigen helfen möchte, die keinen Ausweg mehr sehen.

Auch Julius tut sich schwer damit, einen Platz in dieser Welt zu finden. Musik ist die Liebe des jungen Münchners, mit ihr würde er gern die Menschen berühren. Aber er scheitert an der Realität, die seinen sensiblen Texten die kalte Schulter zeigt. Was er tun soll, um zu bestehen, wohin die Reise gehen soll, das weiß er selbst nicht so genau. Dafür ist die Sehnsucht zu unbestimmt, lässt sich nicht einfangen und in ein klares Ziel hineindefinieren.

Ich weiß, was ich will!
Riedelsheimer suchte aber nicht nur nach den Gescheiterten und Verzweifelten. Andere Gesprächspartner sind umso selbstbewusster, wissen was sie wollen. Layla zum Beispiel. 40 ist sie, lebt in Katar und will unbedingt eine Tätowierung als Zeichen ihrer Unabhängigkeit. Der kubanische Taucher Alfredo wiederum findet seine Freiheit, wenn er ins Meer darf, dessen Bewohner beobachtet, sich eins mit der Natur fühlt.

Auf diese Weise springt Die Farbe der Sehnsucht umher, bereist die ganze Welt, findet Antworten und neue Fragen. Was Sehnsucht genau bedeutet, das wissen wir anderthalb Stunden später immer noch nicht. Eindeutige Verbindungen der Einzelgeschichten sind ebenso wenig auszumachen. Willkürlich wirkt die Doku, Momentaufnahmen, die aus dem Zufall heraus entstanden sind. Aber es sind schöne Momentaufnahmen, nachdenkliche und kluge, traurige bis tröstliche. Und so sind wir denn dann doch ein bisschen reicher, wenn wir von dieser Reise zurück sind. Ein bisschen schlauer vielleicht auch. Haben viele Farben gesehen, die uns bleiben werden, selbst wenn wir keine Worte dafür gefunden haben.



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In „Die Farbe der Sehnsucht“ reist Regisseur Thomas Riedelsheimer um die ganze Welt, befragt Menschen zu ihrer Geschichte, ihren Träumen und ihrem Alltag. Eine eindeutige Antwort auf die Fragen des Lebens findet er unterwegs nicht, dafür viele spannende Einzelschicksale, die unser eigenes Leben bereichern und ein klein wenig bunter machen.