„Die grüne Lüge“, Österreich, 2018
Regie: Werner Boote; Musik: Marcus Nigsch
Auch du kannst etwas für die Umwelt und den Erhalt der Erde tun. Du musst nur richtig einkaufen! Das zumindest bekommen wir ständig zu hören, Verantwortungsbewusstsein fängt im Supermarktregal an. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt. Wer beim Einkaufen darauf achtet, was er da in den Einkaufswagen legt, wo es herkommt, woraus es gemacht wird, der kann durchaus einen Unterschied machen. Das Problem ist nur: Als regulärer Konsument ist es schwierig bis unmöglich, all die notwendigen Informationen zu haben. An der Stelle kommen die begehrten Siegel zum Einsatz, welche die Spreu vom Weizen trennen sollen. Hier die guten, nachhaltigen Produkte, dort die schlechten. Doch genau an der Stelle beginnt auch die Lüge, der wir als Konsument aufgesessen sind.
Das zumindest behauptet Kathrin Hartmann, die seit Jahren gegen die vollmundigen Versprechen der Unternehmen angeht, die alle plötzlich ihre grüne Seele entdeckt haben wollen. Alles Unsinn, sagt die Journalistin und Buchautorin. In erster Linie interessiert die Konzerne nach wie vor nur der Profit. Die ganzen Siegel und Werbespots, die von einer besseren Zukunft sprechen? Alles Lügen und Augenwischerei, Beispiele des sogenannten Greenwashings – Produkte sollen umweltfreundlicher erscheinen, als sie sind.
Gemeinsam für eine bessere Welt
Damit stieß sie bei Werner Boote natürlich auf offene Ohren. Seit Jahren schon dreht der Österreicher Dokumentarfilme zu den verschiedensten gesellschaftlichen Themen – darunter Überbevölkerung und der Verlust von Privatsphäre in Zeiten des Internets. Kennengelernt haben sich die beiden in einer Talk Show, in Die grüne Lüge nehmen sie nun gemeinsam Unternehmen auseinander, schauen hinter die grün angepinselte Fassade. Boote kommt dabei die Rolle des naiven Konsumenten zu, der gern auf Versprechen hört. Hartmann zeigt ihm, an welcher Stelle er sich täuschen lässt.
Auf Dauer ist dieser gespielte Gegensatz recht anstrengend, so wie sich Die grüne Lüge allgemein keinen so großen Gefallen bei der konkreten Umsetzung tut. Natürlich ist es schöner, wenn Dokumentarfilme aus der üblichen Mischung von Interviewschnipseln und eingeblendeten bzw. eingesprochenen Infos ausbrechen möchten. Die vielen fingierten Szenen sind bei einem Film, der sich eben gegen das Fingieren ausspricht aber irgendwo irritierend. Für einen Beitrag in Die Sendung mit der Maus würde das reichen. Nicht aber, wenn Erwachsene auf wichtige Themen aufmerksam gemacht werden sollen. Und von denen gibt es hier eine Menge.
Wohin man auch blickt: nichts als Lügen
Die Frage nach der Verlässlichkeit von Nachhaltigkeitssiegeln ist nur der Startschuss für eine Reise um den Globus. Zwischenstationen auf Palmölplantagen stehen ebenso auf dem Programm wie große Kongresse, Besuche bei indigenen Bevölkerungen oder bei Fischern, die noch immer unter der Ölkatastrophe von 2010 leiden, als die Ölbohrplattform Deepwater Horizon explodierte und den Golf von Mexiko verseuchte. Heute sei alles in Ordnung, so behauptet das Unternehmen. Rückstände finden sich aber immer noch an den Stränden, inmitten von Fußspuren der Kinder. Sie finden sich auch in den Shrimps, welche die Lebensgrundlage der Fischer bilden.
Nach und nach raubt einem Die grüne Lüge, welche auf der Berlinale 2018 Weltpremiere in der Sektion Kulinarisches Kino feierte, auf dieser Reise jegliche Illusionen und Hoffnungen. Das will der Dokumentarfilm, will es gleichzeitig aber auch wieder nicht. Ganz schlüssig ist das Ergebnis dann auch nicht immer. Zum einen verlangt es, den Aussagen von Hartmann und ihrer Gesprächspartner zu glauben, im selben Maße, in dem wir ihren Gegnern vorher geglaubt haben. Denn die Beweisführung ist schwierig, vor allem innerhalb des knappen Rahmens von anderthalb Stunden. Außerdem ist zum Ende nicht klar, was denn genau die Alternative sein soll. Was kann ich als einzelner tun, wenn ich gar nicht weiß, was noch gut, was schlecht ist? Eine wirkliche Antwort darauf liefert Boote nicht. Was ihm und seiner Partnerin aber gelingt, ist das Schaffen eines Bewusstseins für die Problematik. Ein Bewusstsein dafür, schöne Bilder, schöne Aussagen und schöne Siegel zumindest kritisch zu hinterfragen. Und eben auch sich selbst zu hinterfragen, wenn wir uns mal wieder am Supermarktregal aus unserem Gewissensgefängnis freikaufen wollen.
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