Die Nacht der Naechte
© Concorde Filmverleih

Die Nacht der Nächte

„Die Nacht der Nächte“, Deutschland, 2017
Regie: Yasemin Şamdereli, Nesrin Şamdereli

Die Nacht der Naechte
„Die Nacht der Nächte“ läuft ab 5. April 2018 im Kino

Bis dass der Tod euch scheidet? Das wird nach und nach eher die Ausnahme denn die Regel. Heute finden die Menschen sehr viel schneller einen Grund, vorab eine Ehe zu beenden. Von Paaren zu hören, die tatsächlich schon mehr als 50 Jahre zusammen sind, das ringt einem inzwischen eine Mischung aus Bewunderung und Verwunderung ab. Etwas, das es doch eigentlich gar nicht mehr so richtig geben kann. Und doch gibt es sie natürlich. Die Schwestern Yasemin und Nesrin Şamdereli haben gleich vier davon gefunden. Und wie es sich für die beiden Regisseurinnen des Multikulti-Hits Almanya – Willkommen in Deutschland gehört, stammen die Paare aus unterschiedlichen Ländern. Sehr unterschiedlich sogar.

Hildegard und Heinz Rotthäuser dürften dem hiesigen Publikum am nächsten stehen. Nicht nur weil sie aus Deutschland kommen, auch ihre Geschichte ist die gewöhnlichste. Aber das muss ja nicht immer verkehrt sein. Wenn die beiden von ihrer langen gemeinsamen Zeit reden, von den schönen und hässlichen Momenten, dann ist es hier besonders einfach, sich darin wiederzufinden. Da sind die typischen Konflikte zwischen einem, der ungern den Haushalt macht und einer Ordnungsliebhaberin. Einem, der vor sich hinbrummelt, während sie Kaffeekränzchen mit Freundinnen veranstaltet. Er wirft ihr die Vielzahl an Schuhen vor, sie ihm, dass er am Haus herumwerkelt, ohne mit ihr darüber zu reden.

Lieber wider aller Hindernisse
Während die beiden doch so manches Klischee erfüllen, sind Kamala und Nagarajayya Hampana deutlich exotischer. Eigentlich hätten sie auch kein Paar werden dürfen, die indische Gesellschaftsnorm verbietet es, wenn Menschen aus verschiedenen Kasten heiraten. Sie dürfe seine Geliebte werden, ließ man sie damals wissen – eine Herabwürdigung, die ihr auch mehr als 50 Jahre später noch die Tränen in die Augen treibt. Aber sie blieben standhaft. Entscheiden sich gegen Kasten, gegen Normen, gegen Familien. Es ist der unterhaltsamste der vier Beiträge, was an dem hinreißenden Frohgemut der zwei liegt. Und an ihrer Fähigkeit, sich und andere auf den Arm zu nehmen.

Auch Norman MacArthur und Bill Novak mussten sich erst gegen Widerstände durchsetzen. Homosexualität, das war nicht unbedingt etwas, mit dem man hausieren ging. Ein schwules Paar in der Öffentlichkeit? Das geht nun wirklich nicht! Ihre Geschichte verkörpert den stärksten Wandel der vieren. Was damals in den 60ern noch verboten war oder allenfalls im Geheimen toleriert, darf nun auch offiziell gemacht werden – teilweise ist in den USA die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. Mit den beiden auf Zeitreise zu gehen und alte Erinnerungen auszugraben, das bedeutet eben auch teilzuhaben an dem Wandel der Gesellschaft.

Die Kraft der Tränen
Das vierte Paar, bestehend aus Shigeko und Isao Sugihara, erscheint da erst einmal weniger wichtig. Gekämpft haben die Japaner nicht gegen die Normen. Im Gegenteil: Die zwei wurden verheiratet, ohne dass Gefühle dabei eine Rolle gespielt hätten. Leise sind sie, teilen kleinere Anekdoten, gewähren kleine Einblicke in das Konstrukt einer Ehe, die oft keine sein wollte. Doch genau dadurch wird diese Episode zum Schluss zu der emotionalsten. Während die anderen ihre Gefühle und Gedanken vor sich hertragen, sind die Offenbarungen der japanischen Eheleute von Schmerz geprägt, von Enttäuschung und Trauer. Sie sind das Beispiel eines Paares, das es heute vielleicht mehr geben würde, vielleicht auch gar nicht geben sollte. Gleichzeitig findet sich Schönheit und Zuneigung in den faltigen Gesichtern, die so viel gesehen haben, so viel geteilt haben.

Und so ist Die Nacht der Nächte insgesamt ein Dokumentarfilm, der sehr viel mehr gibt, als man es anhand der Beschreibung vermuten würde. Der einen zum Lachen bringt, einen rührt, vielleicht auch die eine oder andere Träne hervorruft. In ihrer Mischung aus Gewöhnlichen und Außergewöhnlichen haben die Şamdereli-Schwestern ein Werk geschaffen, das eine ganze Menge über das Leben und die Liebe zu erzählen hat. Darüber was es heißt, tatsächlich im Guten wie im Schlechten zusammenzubleiben. Das bringt dann vielleicht keine neuen Erkenntnisse hervor, ist aber so charmant und liebenswürdig (auch durch die regelmäßigen Stop-Motion-Einlagen), dass der Abschied von den acht zum Schluss erstaunlich schwerfällt. Denn dafür sind sie einem in nur wenig mehr als anderthalb Stunden zu sehr ans Herz gewachsen.



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Ein Dokumentarfilm über vier Langzeitpaare? Das ist doch langweilig. Irrtum: „Die Nacht der Nächte“ versammelt Individuen, die zusammen und getrennt eine ganze Menge über das Leben und die Liebe zu erzählen haben. Über kleine Momente des Glücks und große Konflikte, die dich für immer zeichnen. Das bleibt zwar vielleicht ohne bedeutende Erkenntnis, ist aber ungemein charmant, mal sehr witzig und dann wieder tieftraurig.