„Kujira no Kora wa Sajō ni Utau“, Japan, 2017
Regie: Kyōhei Ishiguro; Drehbuch: Michiko Yokote; Vorlage: Abi Umeda; Musik: Hiroaki Tsutsumi
Geträumt haben sie immer davon, einmal die Welt da draußen zu sehen. Vor allem der Jugendliche Chakuro, einer von vielen Markierten, die über enorme Fähigkeiten verfügen, dabei aber eine geringe Lebenserwartung haben. Doch bislang waren die Bewohner des riesigen Wüstenschiffs Mud Whale daran gebunden, wohin ihr unkontrollierbares Fahrzeug sie brachte. Bis sie eines Tages auf eine Felseninsel stoßen, an der sie zufällig vorbeikommen. Diese Gelegenheit will sich nicht natürlich keiner entgehen lassen, ein Suchtrupp soll das karge Eiland untersuchen. Dabei stoßen sie auf ein geheimnisvolles junges Mädchen, das mehr über die Welt zu wissen scheint, den anderen aber mit jeder Menge Misstrauen begegnet. Und es ist nicht die einzige Begegnung, welche die Inselbewohner in Folge machen werden …
Der Einstieg von Netflix in den Anime-Markt war etwas zögerlich, dafür schießt der Streamingdienst jetzt aus allen Rohren: Gleich vier Serien gingen im März an den Start, die nächsten sind bereits angekündigt. Die Walkinder, international auch unter dem englischen Titel Children of the Whales bekannt, ist dabei sicher der ungewöhnlichste Vertreter des Quartetts. Inhaltlich ist die Adaption des Mangas von Abi Umeda kaum mit den Kollegen zu vergleichen. Aber auch visuell ging man hier ganz eigene Wege.
Märchenhafte Bilderbuchoptik
Zu verantworten hat Letzteres das allseits beliebte Animationsstudio J.C. Staff (Selector Infected WIXOSS, Waiting in the Summer). Technisch ist das Ganze vielleicht nicht überragend. Während die Effekte durchaus in Ordnung gehen, sind die Animationen oft dürftig. Das ist bei Serien keine große Überraschung. Aber es wäre doch schön, wenn der derzeit mit Geld nur um sich werfende Streamingdienst, der im Realbereich sündhaft teure Serien produziert, doch auch Animes ein bisschen mehr davon abgeben würde. Dafür ist der Stil wundervoll: Die Walkinder verwendet einen Look, als ob mit Wasserfarben auf Pergamentpapier gemalt worden wäre. Wie ein altes Bilderbuch, was sehr gut zu dem märchenhaften Ambiente passt.
Das Szenario um eine Wüstenwelt erinnert dabei natürlich an Nausicaä – Aus dem Tal der Winde, so wie man hier an mehreren Stellen den Eindruck hat, dass die Serie eine Hommage an die Altmeister von Studio Ghibli ist. Die jungen Protagonisten, knuffige Tiere, eine sich plötzlich eröffnende magische Welt, die sehr viel größer ist, als man es zunächst glauben mag – das sind schon alles bewährte Elemente. Glücklicherweise ist Die Walkinder jedoch mehr als nur eine bloße Kopie bestehender Fantasyklassiker. Immer wieder überrascht Umeda mit einigen schönen Einfällen wie etwa besonderen Ritualen, welche den Anime von der Konkurrenz abheben.
Und falls ihr es immer noch nicht verstanden habt …
Leider bestätigt sich der hervorragende Ersteindruck aber nicht über die gesamte Laufzeit von zwölf Folgen. Das interessante World Building wird im Mittelteil aufgegeben, als das Inselvolk doch noch auf andere Menschen stößt, die nicht unbedingt mit friedlichen Absichten kommen. Das bringt dann zwar deutlich Action in die zuvor recht ruhige Geschichte. Es bringt nur die Geschichte an sich nicht voran. Viel zu lange tritt Die Walkinder hier auf der Stelle, konzentriert sich auf Charaktere, die nicht wirklich spannend sind, und überzeugt eben auch aufgrund der schwachen Animation beim Kampfgetümmel nicht.
Ein inhaltliches Anliegen hat die Mangaumsetzung an der Stelle schon: Es geht um das beliebte Thema Gefühle bzw. Erinnerung. Ist es besser, ein friedliches Leben ohne schlechte Gefühle zu leben oder eines, das die gesamte Bandbreite enthält? Wie die Antworten ausfallen soll, daran lässt Die Walkinder keinen Zweifel. Mehr noch als die diversen Stimmungswechsel, die unter anderem auch Sprünge vom Drama zum Slapstick enthalten, stört die Holzhammermethode, mit der hier vorgegangen wird. Für eine Serie, die eigentlich von entschwundenen Emotionen reden will, wird hier schon sehr dick aufgetragen, ein bisschen mehr Freiraum und Zurückhaltung hätten Wunder gewirkt und auch besser zu der entspannten Präsentation gepasst. Dennoch, die positiven Aspekte überwiegen, die zum Ende der ersten Staffel angekündigte Fortsetzung darf gern kommen und sich einiger noch offener Fragen annehmen. Ein Termin hierfür ist bislang leider keiner angekündigt, sollte aber nur eine Frage der Zeit sein.
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