„Film Stars Don’t Die in Liverpool“, UK, 2017
Regie: Paul McGuigan; Drehbuch: Matt Greenhalgh; Musik: J. Ralph
Darsteller: Annette Bening, Jamie Bell, Julie Walters, Kenneth Cranham, Stephen Graham
Als der junge britische Schauspieler Peter Turner (Jamie Bell) 1978 Gloria Grahame (Annette Bening) begegnet, ist diese rund drei Jahrzehnte älter. Doch der Altersunterschied hält ihn nicht ab, vom ersten Augenblick an ist er von der Leinwandlegende fasziniert. Es dauert auch nicht lange, bis die zwei ein Paar werden. Lange hält dieses Glück jedoch nicht an. Gloria ist krank, sehr krank, was sie bislang aber den meisten verschwiegen hat. Erst als sie einen erneuten Schwächeanfall erleidet und sich bei Peters Familie einnistet, gibt sie notgedrungen ihr Geheimnis preis und muss sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen.
Derzeit bestimmen Geschichten das Gesicht Hollywoods, in denen alte Männer ihre Macht ausnutzten, um deutlich jüngere Frauen sexuell zu bedrängen oder auszunutzen. Dass zu just dieser Zeit ein Film erscheint, in dem eine Frau im fortgeschrittenen Alter sich an junge Burschen heranmacht, das ist dann gleichermaßen passend wie unglücklich. Wobei der Vergleich natürlich hinkt. Gloria Grahame mag zu dem Zeitpunkt des Geschehens eine reiche Vergangenheit hinter sich haben, einen großen Namen, sogar einen Oscar. Doch Macht, davon ist hier nur wenig zu spüren.
Keiner kann der Zeit entkommen
Tatsächlich ist Film Stars Don’t Die in Liverpool zu einem großen Teil auch das Porträt einer Frau, die ihren Zenit längst überschritten hat. Die sich dessen durchaus an vielen Stellen bewusst ist. Die aber dennoch früheren Tagen hinterherläuft, auf eine befremdliche Weise in ihrer eigenen Welt lebt. Eine der komischsten Szenen des Dramas ist es, wenn die Mittfünfzigerin Grahame davon träumt, die Julia in William Shakespeares Stück zu spielen, ohne die Absurdität dieses Vorhabens zu erkennen. Und auch an anderen Stellen wird deutlich, wie unsicher die Grande Dame ist in Bezug auf ihr Alter und ihre Ausstrahlung.
Gewissermaßen ist sie das auch zurecht. Regisseur Paul McGuigan, sonst eher bei maskulinen Genrebeiträgen wie Sherlock oder Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn zu Hause, gelingt es nicht so recht zu zeigen, was genau Peter Turner denn an der selbstsüchtigen Schauspielerin findet. Turner, auf dessen Memoiren der Film beruht, ist bereits verliebt, noch bevor wir wissen, wer eigentlich die Person da auf der Leinwand ist. Das hängt auch damit zusammen, dass der schottische Filmemacher in erster Linie die spätere Zeit abbilden will, der Grahame bereits im Sterben lang. Die Beziehung selbst entsteht geradezu abrupt, ist auch schon vorbei, wenn der eigentliche Film beginnt.
Gestern und heute, Hand in Hand
Ein Grund: die Erzählstruktur. Anstatt die Beziehung vom Anfang bis zum Ende beleuchten zu wollen, springt Film Stars Don’t Die in Liverpool kontinuierlich zwischen den Zeitebenen hin und her. Aus Zuschauersicht ist das Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite verdanken wir der zerhackten Chronologie einige kunstvolle Übergänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Einige Szenen erhalten auf diese Weise außerdem mehr Spannung, wenn sie erst im Nachhinein erklärt werden. Gleichzeitig wird eine Entwicklung aber erschwert, die Romanze wird einem vorgesetzt, ohne daran wirklich teilhaben zu können.
Dabei gibt es einige tatsächlich rührende Momente zwischen den beiden. Und vor allem Annette Bening, die letztes Jahr für Jahrhundertfrauen immerhin wieder eine Golden-Globe-Nominierung abstauben konnte, zeigt auch hier wieder ihre große Klasse. Vor allem die Eröffnungssequenz, in der sie als Grahame das Vorbereiten für den Bühnenauftritt zelebriert, ist bis zur falschen Wimper mit Persönlichkeit vollgestopft. Auch sonst ist nicht viel an den Darstellern auszusetzen. Sie alle erledigen ihre Jobs solide bis gut, zumindest in dem möglichen Rahmen. Über einige hätte man gern mehr erfahren. Gerade die Beziehung von Grahame zu Turners Familie bleibt ein Mysterium, wir sehen nur das überaus herzliche Ende. Aber selbst wenn Film Stars Don’t Die in Liverpool in mancher Hinsicht unbefriedigend bleibt, so dürfen sich Drama-Freunde doch auf einen schönen Film freuen, der zum Schluss auch einiges dafür tut, die Herzen des Publikums anzugreifen.
(Anzeige)