„Gauguin“, Frankreich, 2017
Regie: Edouard Deluc; Drehbuch: Edouard Deluc, Etienne Comar, Thomas Lilti, Sarah Kaminsky; Musik: Warren Ellis
Darsteller: Vincent Cassel, Tuheï Adams
Paul Gauguin (Vincent Cassel) hat genug. Genug von seiner Heimat mit den strengen Regeln. Genug von den Leuten, die ihm sagen wollen, was er zu tun und zu lassen hat. Genug auch von seiner Frau und den Kindern. Und so macht sich der Künstler auf, all das hinter sich zu lassen, woanders sein Glück und seine Freiheit zu suchen. Fündig wird er in Französisch-Polynesien, wo er fortan mit den Eingeborenen lebt. Vor allem mit der jungen Tehura (Tuheï Adams), in die er sich verliebt und die ihm eine wichtige Muse bei der Arbeit wird. Doch je mehr Zeit er auf dieser abgelegenen Insel verbringt, umso mehr muss er erkennen, dass auch dort kein Paradies auf ihn wartet.
Man muss kein großer Künstler sein oder Ende des 19. Jahrhunderts gelebt haben, um dieses Gefühl zu kennen: Die Welt ist mein Gefängnis. Konventionen in jedem Bereich, Erwartungen, die ich zu erfüllen habe – die Sehnsucht nach Freiheit ist nur schwer zu stillen. Ganz so weit wie Paul Gauguin, der 1891 seine Familie verließ, um sich im heutigen Tahiti ein schönes Leben zu machen, dürften dann aber doch die wenigsten gehen. So verführerisch diese Aussteigerträume auch sein mögen, sie vertragen sich nur selten mit der Realität.
Ein trügerisches Paradies
Das will auch Edouard Deluc aufzeigen, der hier seinen zweiten Spielfilm realisiert. Anfangs wirkt Französisch-Polynesien tatsächlich wie dieses Paradies, welches Gauguin so dringend sucht und braucht. Unberührte Natur, Strände wie aus dem Reisebürokatalog, dazu nett dreinschauende Eingeborene, die nur geradezu darauf warten, dem großen Weißen die Füße zu küssen. Oder andere Körperteile. Mit der Zeit jedoch, da bekommt das Postkartenmotiv Risse und hässliche Knicke. Freiheit ist am Ende dann doch nur relativ.
Sonderlich weit verfolgt Deluc diesen Ansatz dann aber doch nicht. Er spricht immer wieder Themen an, darunter die drohende Armut von Gauguin, unter der er später auch wirklich leiden soll. Der Filmemacher möchte aber nicht, dass sein Protagonist oder auch das Publikum zu sehr daran leiden. Die Ausführungen zu den seelischen und materiellen Abgründen, sind nur ein kleines Feigenblatt, aufgelesen irgendwo in dem Dschungel. Ein Souvenir, das sorgfältig und säuberlich beschriftet in der Vitrine aufbewahrt wird. Auch wenn Gauguin sicher kein Wohlfühlfilm ist, so soll er eben auch nicht wehtun.
Bloß kein Risiko!
Der Film reiht sich daher in die lange Ahnengalerie von gediegenen, gerade in Frankreich gern gedrehten Künstlerporträts ein, die wissen, was sich bewährt hat, was gesucht wird und genau das dann auch tun – siehe die Kollegen Django – Ein Leben für die Musik und Meine Zeit mit Cézanne. Das ist ein bisschen komisch in diesem Fall, vielleicht auch schade, soll Gauguin doch von einem Menschen erzählen, der sich frei von Konventionen machte. Der eben nicht Kunst wie alle anderen fertigen wollte.
Was den Film auszeichnet und von der Konkurrenz abhebt, das sind neben den traumhaften, neiderzeugenden Bildern vor allem die Darsteller. Vincent Cassel hat ohnehin nie ein Problem damit, auch mal etwas weniger vorbildhafte Menschen zu spielen. Das wird auch hier deutlich, wenn Freigeist Gauguin für sein Umfeld eigentlich eine ziemliche Zumutung ist. Aber auch Tuheï Adams, welche seine junge Geliebte spielt, überzeugt mit Natürlichkeit und Charme, füllt die Szenen selbst dann mit Leben, wenn sich diese etwas selbstgefällig auf die faule Haut legen.
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