„Ghostland“, Frankreich/Kanada, 2018
Regie: Pascal Laugier; Drehbuch: Pascal Laugier; Musik: Todd Bryanton
Darsteller: Crystal Reed, Anastasia Phillips, Mylène Farmer, Emilia Jones, Taylor Hickson
So wirklich große Lust hatten Beth (Emilia Jones) und Vera (Taylor Hickson) ja von vornherein nicht auf den Umzug gehabt. Es war ihre Mutter Colleen (Mylène Farmer), die darauf bestand, nach dem Tod der Tante deren Haus zu beziehen. Groß ist es ja, das muss man ihm lassen. Dafür aber sehr seltsam eingerichtet. Und voller gruseliger Puppen. Vor allem aber ist es weit weg von zu Hause, weit weg von allem eigentlich. Das müssen die drei am eigenen Leib erfahren, als zwei finstere Gestalten bei ihnen einbrechen und keine Hilfe weit und breit ist. Zwar schafft es Colleen, die Angreifer unschädlich zu machen, doch vor allem Vera ist von dem Überfall traumatisiert – auch Jahre später noch. Als sie wieder mal einen Anfall hat, beschließt Beth, die inzwischen Karriere als Horrorautorin gemacht hat, bei den beiden anderen vorbeizuschauen, die noch immer in dem Haus wohnen. Doch wie Beth bald feststellen muss: Auch sie hat nicht ganz verarbeitet, was damals vorgefallen ist.
Ehre, wem Ehre gebührt: Mit Martyrs hat Pascal Laugier einen der härtesten und schockierendsten Horrorfilme des letzten Jahrzehnts geschaffen. So hart und schockierend, dass deutsche Fans knapp zehn Jahre warten mussten, bis sie den Film in einer ungeschnittenen Fassung in den Händen halten durften. Das blieb auch dem Rest der Welt nicht verborgen, weshalb der französische Filmemacher anschließend The Tall Man drehen durfte. Doch obwohl Jessica Biel seinerzeit die Hauptrolle übernahm, hielt sich der Erfolg arg in Grenzen. Anhänger seines Durchbruchtitels bekamen zwar auch diesmal einige Überraschungen serviert. Doch im direkten Vergleich war der Mystery-Thriller doch ein wenig harmlos.
Ein Albtraum für jeden Puppenphobiker
Bei Ghostland, seinem nunmehr vierten Streifen, ließ sich Laugier dann wieder recht viel Zeit. Und zumindest zum Teil kehrt er hier zu seinen Wurzeln zurück. Der Horroranteil ist wieder höher, auch Blut darf wieder fließen. Es überrascht sogar ein wenig, wie brutal der Film ist. Nicht, weil man das dem Franzosen nicht zugetraut hätte. Es ist vielmehr so, dass er einen anfangs auf eine falsche Fährte lockt. Ein Film namens Ghostland, da würde man erst einmal eine Geistergeschichte erwarten. Verstärkt wird diese Erwartung durch die Einrichtung des Hauses – wer schon Annabelle furchterregend fand, der wird hier seinem absoluten Albtraum begegnen. In jeder Ecke hockt eine Puppe, eine makabrer als die andere.
Aber Laugier hat etwas anderes vor, als einen klassischen Grusler herbeizuzaubern. Ebenso wenig ist Ghostland jedoch ein regulärer Home Invasion Thriller – auch wenn die heftigen ersten Minuten danach aussehen. Vielmehr kreuzt er ein paar Subgenres, lässt Grenzen verschwinden und schlägt bei der erstbesten Gelegenheit kleine und große Haken. Wer seine früheren Filme für deren Überraschungseffekt mochte, der sollte hier also auf seine Kosten kommen. Und auch das Horrorhaus selbst ist gut gelungen, neben Winchester – Das Haus der Verdammten einer der Höhepunkte des aktuellen Filmjahres.
Das Bekannte hinter dem Rätsel
Ähnlich zu dem amerikanisch-australischen Kollegen wird das Potenzial hier aber nicht so richtig ausgeschöpft. Ist der erste Zauber des Hauses verflogen und die Wendung verkraftet, baut Ghostland wieder deutlich ab. Die größte Überraschung ist vielmehr die, wie wenig überraschend die Geschichte anschließend trotz einiger grotesker Elemente abläuft. Wie viele Klischees Laugier hier bedient, wie viele totgetrampelte Pfade schon wieder herhalten müssen. Kurz: wie untypisch gewöhnlich der Horrorfilm auf einmal wird. Insgesamt überwiegen die positiven Elemente, die vor allem die erste Hälfte zu einem wohlig schrecklichen Ereignis machen. Nach den vielen Jahren, die wir auf die Rückkehr des Franzosen warten mussten, bleibt aber doch ein leichtes Gefühl der Enttäuschung.
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