„Hannas schlafende Hunde“, Österreich/Deutschland, 2018
Regie: Andreas Gruber; Drehbuch: Andreas Gruber; Vorlage: Elisabeth Escher; Musik: Gert Wilden
Darsteller: Nike Seitz, Hannelore Elsner, Franziska Weisz, Rainer Egger, Nico Liersch
So richtig spannend ist das Leben von Hanna (Nike Seitz) ja nicht. Klar, dass liegt auch daran, dass ihre Familie in einem kleinen österreichischen Dorf lebt, in dem nun mal selten etwas passiert. Es ist aber auch ihre Mutter Katharina (Franziska Weisz), die ihr alles streng verbietet, was auch nur irgendwie Spaß machen könnte. Sie darf nicht einmal mit anderen spielen oder mit ihrem Bruder Michael (Nico Liersch) bei einem Musikwettbewerb teilnehmen. Nur nicht auffallen, brav zu Hause sein. Zumal ihr auch niemand erklärt, was denn eigentlich los ist. Nur ihre Großmutter Ruth (Hannelore Elsner) hat immer ein offenes Ohr für sie und steht zu dem, was das Problem ist: Sie sind Juden. Und das wird selbst im Jahr 1967 nicht wirklich gern gesehen.
Auch wenn einem die Gründe nie so ganz begreiflich werden, der Antisemitismus ist auch mehr als 70 Jahre nach dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft nicht totzukriegen. Den aktuellsten und vielleicht auch schockierendsten Beweis lieferte vor einigen Tagen Frankreich, wo eine 85-jährige, gehbehinderte Holocaust-Überlebende ermordet wurde – wohl aus antisemitischer Motivation heraus. Insofern fällt es leider nicht besonders schwer, der österreichischen Autorin Elisabeth Escher zu glauben, wenn sie in ihrem autobiografischen Roman Hannas schlafende Hunde von den alltäglichen Repressalien in einem Dorf der späten 60er erzählt.
Dunkle Geheimnisse im Dutzend
Im Grundsatz gilt das auch für Verfilmung des 2010 erschienenen Buches. Ein großes Problem hierbei ist jedoch, wie sehr sich Regisseur und Drehbuchautor Andreas Gruber auf die Dramen, Konflikte und dunklen Geheimnisse stürzt. Denn von denen gibt es hier so viel, als wolle das Dörfchen Wels der gesamten Welt zeigen, dass es noch viel schlimmer als der Rest sein kann. Oder zumindest konzentrierter. Kaum eine Figur, die hier im Laufe der 115 Minuten auftritt, die nicht irgendwelche Leichen im Keller vergraben hat oder Wunden aus dem Krieg mit sich herumträgt – seien es physische oder seelische.
Das ist in dieser Geballtheit dann doch ein bisschen viel, umso mehr da es an einem Ausgleich mangelt. Man muss die diversen Gräueltaten der Menschen nicht unbedingt relativieren. Aber es hilft doch ungemein, die Dimension des Schreckens zu veranschaulichen, wenn man das Gefühl hat, er wurde von einem tatsächlichen Menschen begangen. Dafür ist die Figurenzeichnung hier aber zu grob, manche der Dorfbewohner sind so übertrieben widerlich angelegt, dass sie eben nicht mehr als Charakter durchgehen, sondern als bloße Idee eines solchen.
Ein Dorf, das wie keins wirkt
Besonders tragisch hierbei ist, dass Gruber es verpasst, dem Dorf auch wirklich eine dörfliche Anmutung zu geben. Während die Ausstattung durchaus passend gewählt ist, hat man hier nicht den Eindruck, in einem tatsächlichen Dorf unterwegs zu sein. Der Anspruch, den mehr oder weniger versteckten Nazi im Alltag zu finden und von allgegenwärtigen Anfeindungen zu berichten, der wird nicht wirklich erfüllt, wenn sich der Alltag nicht wie ein solcher anfühlt. Bedeutungsschwangere Dialoge, finstere Blicke, willkürliche Bosheiten – Hannas schlafende Hunde lässt jegliche Subtilität vermissen.
Und das ist bedauerlich, da das Drama durchaus wichtige Aussagen mit dem Publikum teilt. Der Einsatz für Toleranz und Gleichwertigkeit, der ist ja grundsätzlich immer sympathisch. Ebenso sind Plädoyers gegen das Vergessen wichtig, gerade auch in einer Zeit, in der der schnelle Tweet wichtiger ist als die Auseinandersetzung mit komplexen Themen. Ganz verkehrt ist Hannas schlafende Hunde daher nicht, zumal die herumwirbelnde Nike Seitz sowie eine resolute Hannelore Elsner (Auf das Leben!, Wer’s glaubt, wird selig) über so manche dramaturgische Schwäche hinwegsehen lassen. Es wäre nur eben schön gewesen, wenn der Film so gut ausgefallen wäre, wie er wichtig ist.
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