„Heaven’s Gate“, USA, 1980
Regie: Michael Cimino; Drehbuch: Michael Cimino; Musik: David Mansfield
Darsteller: Kris Kristofferson, Christopher Walken, John Hurt, Sam Waterston, Brad Dourif, Isabelle Huppert, Joseph Cotton, Jeff Bridges, Mickey Rourke, Geoffrey Lewis
James Averill (Kris Kristofferson) und Billy Irvine (John Hurt) machen im Jahr 1870 ihren Abschluss an der renommierten Harvard University. 20 Jahre später ist von ihrem studentischen Idealismus nicht mehr viel geblieben – Averill ist Sheriff von Johnson County, Irvine Mitglied einer Ranchervereinigung. Im Land tobt ein Kampf zwischen den einheimischen Rinderzüchtern und den verarmten europäischen Einwanderern. Volltrunken erzählt Irvine Averill von einer Todesliste, auf der 125 Einwanderer stehen, die den Großgrundbesitzern Vieh gestohlen haben. Texanische Auftragskiller sollen nun die schmutzige Arbeit erledigen. Doch Averill ist von der Idee alles andere als begeistert und als er in Besitz der Liste kommt, warnt er einige der Einwanderer. Doch damit legt er den Grundstein für einen unausweichlichen und blutigen Kampf.
Der Cast liest sich wie ein feuchter Traum eines jeden Cineasten: Jeff Bridges, Joseph Cotten, Brad Dourif, Isabelle Huppert, John Hurt, Kris Kristofferson, Mickey Rourke und Christopher Walken. Doch trotz des illustren Aufgebots ist Heaven’s Gate einer der größten kommerziellen Flops der Filmgeschichte und ruinierte nicht nur die Karriere seines Regisseurs, sondern auch fast ein ganzes Filmstudio. Doch fangen wir von vorn an.
Der Preis des Perfektionismus
Nach Michael Ciminos Regiedebüt Die Letzten beißen die Hunde, inszenierte er mit Die durch die Hölle gehen einen sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum hochgelobten und eindringlichen Antikriegsfilm. Ausgezeichnet mit fünf Oscars, bescherte das Werk seinem Regisseur einen Freifahrtschein für sein nächstes Projekt. Das produzierende Studio United Artists gab Cimino ein Budget von knapp 12 Millionen Dollar und rechnete mit einem einfachen, klassischen Western mit guter Besetzung. Doch das Unterfangen lief schnell aus dem Ruder und so explodierten die Kosten bald immens. Am Ende sollten es etwa 40 Millionen Dollar werden, was dem heutigen Zeitwert von knapp 130 Millionen Dollar entspricht.
Schuld war vor allem Ciminos Perfektionismus, der dazu führte, dass er ganze Kulissen wegen Kleinigkeiten wieder abreißen ließ oder für Szenen, die im fertigen Film nur wenige Sekunden dauern, mehr als 50 Takes brauchte. Cimino steigerte sich immer mehr in das Projekt hinein und die Drehzeit wurde länger und länger. So lang, dass John Hurt zwischendurch das Set verließ und derweil Der Elefantenmensch drehte. Cimino forderte vollen Einsatz von Mensch und auch Tier. Und so berichteten im Nachhinein nicht nur einige Darsteller vom harten Umgang des Regisseurs mit ihnen, sondern es wurden während des Drehs auch zahlreiche Tiere verletzt oder kamen zu Tode. Das führte im Nachhinein zum Einsatz der American Human Society bei allen Filmproduktionen bei denen Tiere zum Einsatz kommen.
Zu lang für einen Erfolg
Am Ende waren 220 Stunden Filmmaterial im Kasten, woraus Cimino über einen Zeitraum von acht Monaten einen knapp fünfeinhalbstündigen Film schnitt. United Artists sah die Länge als nicht vermarktungsfähig und ordnete an, ihn zu kürzen. Am Ende kam der Film mit einer Laufzeit von knapp 220 Minuten in die Kinos. Die ersten Kritiken waren vernichtend und es schien als würden alle Kritiker auf diese Schiene aufspringen und den Film vollkommen verreißen. Und auch die Zuschauer waren alles andere als begeistert und so spielte Heaven’s Gate am Ende nur rund ein Zehntel seiner Kosten wieder ein. Aufgrund dieser katastrophalen Entwicklung kürzte Cimino seinen Film nochmals um fast 70 Minuten und brachte ihn ein halbes Jahr später noch einmal in die Kinos – geholfen hat aber auch das nicht. United Artists stand knapp vor dem Ruin, nur der Erfolg vom kurz darauf erschienenen James Bond 007 – In tödlicher Mission rettete das Traditionsstudio. Doch die Karriere des einstigen Wundertalents war zerstört, kein Studio traute sich mehr, Cimino zu beschäftigen. Erst Kultproduzent Dino De Laurentiis holte ihn aus der Versenkung und produzierte seinen Film Im Jahr des Drachen (nach einem Drehbuch von Oliver Stone und Cimino selbst).
Wer aufgrund der Entstehungsgeschichte, des finanziellen Misserfolgs und den vernichtenden zeitgenössischen Kritiken nun denkt, Heaven’s Gate wäre das schlechte Werk eines größenwahnsinnigen Regisseurs, der täuscht gewaltig. Auch wenn der Wert des Films zur Erscheinungszeit nicht geschätzt wurde, so ist Ciminos Film aus heutiger Sicht ein verkannter Meilenstein der Filmgeschichte. Kaum ein Film zeigt in solch einer Monumentalität die Geschichte eines Landes und seiner Bevölkerung und wie diese auf purer Gewalt und Blutvergießen geboren wurde. In aller Schonungslosigkeit gipfelt die exzellente Exposition in einer pessimistischen wie realistischen Geschichtsstunde. Ein Spätwestern als Abgesang auf das gesamte Genre.
Exorbitanter Aufwand, der sich auszahlt
Auch wenn wahrscheinlich genug Geld sinnlos verschwendet wurde, so sieht man Heaven’s Gate zu jeder Minute das exorbitante Budget an. Der exzellente Cast, wunderschöne Kulissen, aufwendige Kämpfe und Schießereien und, wie bereits in Die durch die Hölle gehen, eine beeindruckende Bildgestaltung durch den ungarischen Kameramann Vilmos Zsigmond. Solche Bilder, solch ein Schauspiel, solch eine Wirkung kann sich nur durch absolute Detailversessenheit entfalten. Ein Film, der ordentlich Sitzfleisch erfordert, doch wenn sich der Zuschauer darauf einlässt, bekommt er nicht nur einen monumentalen Western zu sehen, sondern ein Erlebnis präsentiert. Ein Erlebnis, welches vielleicht beim Dreh auf die ein oder andere Kontroverse hätte verzichten können, aber am Ende sicherlich den Aufwand wert war!
Genau wie Ciminos Debüt Die Letzten beißen die Hunde veröffentlicht capelight iictures den Film im schicken Mediabook inklusive Booklet von Stefan Jung. Sehr erfreulich ist, dass neben dem Director’s Cut auch der deutlich kürzere Recut mit an Bord ist, so kann jeder selbst entscheiden zu welcher Version er greift. Als Bonusmaterial gibt es unter anderem Interviews mit den Beteiligten, ein Special zur (äußerst gelungenen) Restaurierung, einen Audiokommentar und Trailer. Alles in allem eine großartige Veröffentlichung eines zur Entstehungszeit absolut unterschätzten Meisterwerks.
(Anzeige)