Jupiters Moon
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Jupiter’s Moon

„Jupiter holdja“, Ungarn/Deutschland/Frankreich, 2017
Regie: Kornél Mundruczó; Drehbuch: Kornél Mundruczó, Kata Wéber; Musik: Jed Kurzel
Darsteller: Zsombor Jéger, Merab Ninidze, György Cserhalmi, Mónika Balsai

„Jupiter’s Moon“ läuft ab 5. Juli 2018 im Kino

Der junge Syrer Aryan Dashni (Zsombor Jéger) wird angeschossen, als er illegal die Grenze zu Ungarn überquert. Panisch und schockiert stellt Aryan fest, dass er sich durch pure Willenskraft auf mysteriöse Weise über die Erdoberfläche erheben und frei in der Luft schweben kann. Nachdem er in einem Flüchtlingslager aufgefangen wird, lernt er den verschuldeten Arzt Dr. Gabor Stern (Merab Ninidze) kennen, der den jungen Wunderknaben aus dem Lager schmuggelt, um von seinem außergewöhnlichen Geheimnis zu profitieren. Verfolgt vom aufgebrachten Campleiter László (György Cserhalmi), fliehen Aryan und Dr. Stern auf der Suche nach Geld und Sicherheit.

Visuelle Poesie in Krisenzeiten
Wie viele Filme der jüngeren Vergangenheit beschäftigt sich Jupiter’s Moon mit der Flüchtlingskrise in Europa. Regisseur Kornél Mundruczó, der schon mit vergangenen Projekten wie Underdog, der 2014 u.a. in Cannes lief und ausgezeichnet wurde, internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist dafür bekannt, Sozialkritik in exzentrischen Narrationen zu verpacken. Drei Jahre später setzt er mit Jupiter’s Moon die Thematik fort, liefert einen spitzen Kommentar im allegorischen Fantasiegewand und erzielt damit eine Nominierung in der Königsklasse des besagten Festivals. Gewonnen hat damals der schwedische Überraschungshit The Square, der ähnliche Motive wie Armut, soziale Ungleichheit und Fremdenfeindlichkeit behandelt.

Jupiter’s Moon geht diese Probleme auf andere Art und Weise an. Der junge Aryan, ein Kind der Krise, traumatisiert durch Erlebnisse, wie den Verlust des Vaters, entdeckt im größten Moment des Grauens seine besondere Gabe. Im Film wird er als Engel und Messias bezeichnet. Er ist die personifizierte Hoffnung in einem Land, einer Welt, in der Korruption und Habgier zu regieren und alles zu zerstören scheinen. Manchmal erinnert die Geschichte an den Magischen Realismus, wie man ihn von Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez kennt. Die Figuren und Handlungen sind beladen mit klassischen Symbolen aus Religion und Folklore und liefern viel Interpretationsraum.

Neben der aktuellen Thematik und dem virtuosen Ansatz reizt der Beitrag vom Mittel Punkt Europa Film 2018 vor allem durch die Optik. Die Kombination aus einigen langen, ungeschnitten Sequenzen und mehreren, geschichteten Handlungssträngen gepaart in einer einzigen Aufnahme macht die Geschichte zu einem atemberaubenden Meisterwerk filmischer Bewegung. Besondere Aufmerksamkeit verdient deshalb u.a. Kameramann Marcell Rév. Auch den Visual und Special Effects, wie der fliegende Aryan oder eine besonders spannende Verfolgungsjagd durch die Straßen Budapests, gebührt großes Lob.

Repetition, Überfluss, Verschwommenheit
Leider übernimmt sich Jupiter’s Moon trotz der guten Ausgangslage in vielerlei Hinsicht. Die Geschichte um Aryan und Dr. Stern entwickelt sich zu einer Flucht ins Nirgendwo. Das mag daran liegen, dass im Script viele Fäden nie zu Ende gesponnen werden. Die Tatsache, dass Aryan als der Messias gilt, wird nie ausreichend erklärt. Worin liegt seine Offenbarung und seine Macht? Wenn die beiden Protagonisten die reichen und gottesfürchtigen Kranken Budapests aufsuchen, um Wunder gegen Bares zu tauschen, wird nie geklärt, wie Aryan die Bettlägerigen überzeugt, tief in die Taschen zu greifen. Die Antwort bleibt vage. Dafür sieht man immer und immer wieder, wie er in die Höhe steigt und sich schwerelos um seine eigene Achse dreht. So beeindruckend und ästhetisch dieses Bild sein mag, wirkt es spätestens nach dem dritten oder vierten Mal repetitiv und trägt zudem nichts zur Entwicklung der Story oder der Beziehung der Charaktere bei. Das sorgt dafür, dass man weder für Aryan noch für Dr. Stern ausgeprägte Sympathien entwickelt und schlussendlich kaum um ihr Wohlbefinden fürchtet.

Spätestens beim Durchrollen der Credits fragt man sich dann: Was habe ich eigentlich gerade gesehen? Zweifelsohne wird jede Menge Denkstoff aufgetischt. Doch was ist der Grundton des Films? Eine Anklage an das politische System Ungarns bzw. Europas, ein humanitärer Appell für den besseren Umgang mit Flüchtlingen oder etwa die Geschichte von Vater und Sohn, der Weitergabe von Wissen von einer Generation an die nächste? Der Film schreitet in einem solch fieberhaften Tempo voran, dass sich all diese Rädchen im Uhrwerk des Plots gleichzeitig drehen und deren individueller Laut im Kollektivrauschen untergeht. In seinem Überfluss, seinen Chiffren und seiner Vagheit ist Jupiter’s Moon selbst für den interessierten bzw. konzentrierten Zuschauer ein schmerzhaft anstrengendes Vorhaben.



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"Jupiter’s Moon" beeindruckt mit dem Versuch einer kreativen Annäherung an die topaktuelle und brandheiße Thematik der Flüchtlingskrise in Europa und überzeugt vor allem mit herausragender Kameraarbeit. Unglücklicherweise spielt der Film mit so vielen Ideen zugleich, dass keine von ihnen ins Schwarze trifft.
6
von 10