„Lucky“, USA, 2017
Regie: John Carroll Lynch; Drehbuch: Logan Sparks, Drago Sumonja; Musik: Elvis Kuehn
Darsteller: Harry Dean Stanton, David Lynch
Man kann nicht sagen, dass Lucky (Harry Dean Stanton) nicht auf sich achten würde. Yogaübungen gehören ebenso zu seiner täglichen Routine wie Quizshows und Kreuzworträtsel, um sich geistig fit zu halten. Schön, das mit dem Rauchen ist nicht ganz so gesund. Andererseits: Wer es auf stolze 90 Jahre bringt, der muss wohl irgendwas richtig gemacht haben in seinem Leben. Doch was ist eigentlich, wenn das vorbei ist? Darüber nachdenken wollte der alte Einzelgänger nie. Bis er eines Tages einen Schwächeanfall erleidet und von seinem Arzt eine niederschmetternde Diagnose erhält: Er sei einfach alt.
Je älter man wird, je mehr Erfahrungen und Erinnerungen man angesammelt hat, umso stärker neigt man oft dazu zurückzuschauen. Was habe ich eigentlich mit meinem Leben angefangen? Habe ich auch alles richtig gemacht? Auch bei Lucky geht es um eine Bestandsaufnahme, ausgelöst durch die Konfrontation mit der eigenen Vergänglichkeit. Und doch ist das Drama etwas anders, als es die Ausgangslage vermuten ließe. Hier gibt es keine großen Versöhnungen mit zerstrittenen Wegbegleitern, keine Versuche, zum Ende hin alles geradezubiegen. Dafür ist Lucky nicht der Typ.
Die Vergangenheit, das unbekannte Wesen
Allgemein geizt Lucky mit Ausflügen in die Vergangenheit. An einer Stelle ist von Bildern die Rede, die ihn als Kind und jungen Mann zeigen. Das war es aber auch schon. Und selbst besagte Bilder bekommen wir nicht wirklich zu sehen. Auch sonst ist der Inhalt eher sparsam. Die beiden Drehbuchautoren Logan Sparks und Drago Sumonja waren weniger an einer Geschichte und Handlung interessiert. Eigentlich passiert so gut wie nichts, selbst für eine Laufzeit von weniger als 90 Minuten hat der Film erstaunlich wenig Konkretes vorzuweisen.
Doch das muss er auch gar nicht. Der Fokus liegt in erster Linie auf den Figuren. Und zumindest in der Hinsicht kann Lucky wirklich glänzen. Da tummeln sich viele liebenswerte Originale im dem Kaff im Südwesten der USA, gezeichnet von dem kargen Leben im Nirgendwo. Besonders lustig ist der Auftritt von David Lynch als ein Freund von Lucky, der Roosevelt hinterhertrauert. Nicht dem Präsidenten. Der Schildkröte. Denn die hat sich mit knapp 100 Jahren noch einmal auf den Weg gemacht, etwas von dieser Welt zu sehen.
Viel Charakter in nur wenig Zeit
Zu einem gewissen Grad gilt das auch für Lucky selbst. Der ist nicht nur Titelgeber, er ist Dreh- und Angelpunkt des gesamten Films. Und er bietet eine wunderbare Bühne für Harry Dean Stanton in einer seiner letzten Auftritte. Der im Alter von 91 Jahren verstorbene Charakterdarsteller war sonst eher für Nebenrollen gebucht. In Lucky darf er seine Paraderolle als knorriger Kauz noch ein wenig ausbauen. Das strotzt nur so vor Persönlichkeit, erfreut mit skurrilem Humor und auch dem einen oder anderen rührenden Moment. Zum Schluss des bezaubernden Dramas darf man sich noch ein bisschen lebensweiser fühlen. Und glücklicher.
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