„Rock’n Roll“, Frankreich, 2017
Regie: Guillaume Canet; Drehbuch: Guillaume Canet; Musik: Yodelice
Darsteller: Guillaume Canet, Marion Cotillard
Eigentlich hat Guillaume Canet ja nur wenig Grund zum Klagen. Er ist ein gefragter Schauspieler, seit Jahren glücklich mit seiner Kollegin Marion Cotillard verheiratet, hat eine schicke Wohnung in Paris. Und doch, so irgendwie reicht das nicht. Ihm fehlt die nötige Anerkennung. Warum zum Beispiel bekommt seine Frau dauernd irgendwelche Filmpreise, während er selbst gerade mal nur nominiert ist? Vor allem aber lassen die Angebote zu wünschen übrig. Sein aktueller Film ist zum Beispiel der reinste Mist. Als er dann auch noch hört, er wäre zu alt für seine Traumrolle, ist alles aus …
Dass ein Mensch oft nicht das ist, wofür er gehalten wird, das wissen Schauspieler gleich doppelt. Zum einen ist es ja ihr Beruf, jemand anderes sein zu wollen, als sie sind. Sie werden aber auch zum Opfer davon, wenn ihnen plötzlich ein öffentliches Image anhaftet, mit dem sie eigentlich nichts zu tun haben. Auch nichts zu tun haben wollen. Canet hat diese befremdliche Erfahrung gemacht, wie ihm während eines Interviews bewusst wurde. Und so kramte er einen alten Plan wieder heraus, mit seinem Image mal so richtig viel Spaß zu haben.
Gute gelaunte Stars mit viel Selbstironie
Rock’n Roll ist dann auch so etwas wie die Filmversion von Call My Agent!. Wo der Serienkollege jede Woche Stars der französischen Schauspielklasse vorführt, die sich mit viel Selbstironie selbst auseinandernehmen, da legt Canet den Fokus auf sich und seine Frau Cotillard. Andere Darsteller sind natürlich mit von der Partie – darunter die vor einigen Wochen gestorbene Ikone Johnny Hallyday –, sie alle spielen sich selbst. Oder eine Version ihrer selbst, bei der bewusst offen bleibt, wie viel denn nun der Wahrheit entspricht.
Am meisten Spaß hat bei dieser Persiflage auf sich selbst bzw. das Showgeschäft natürlich ein Publikum, das mit dem Thema vertraut ist. Dass Rock’n Roll in Deutschland bislang nur auf Festivals lief – beispielsweise den Französischen Filmtagen Tübingen-Stuttgart und MyFrenchFilmFestival –, verwundert nicht so wahnsinnig. Diverse Anspielungen und auch Sprachspiele, wenn Cotillard für eine Rolle Kanadisch lernt, würden hierzulande dann doch weniger gut funktionieren.
Aber selbst Nicht-Franzosen können hier gut unterhalten werden. Auch wenn Canet seine Meta-Geschichte über öffentliche Wahrnehmung am Beispiel eines Schauspielers zeigt, Rock’n Roll funktioniert genauso gut als Komödie über einen Mann in der Midlife-Crisis. Wenn der einst so gefragte Künstler plötzlich niedrigere Rollen annehmen muss, er als nicht mehr begehrenswert dargestellt wird, als schlaff und weichlich, dann ist das ein Generalangriff auf das männliche Selbstbewusstsein. Ganz unabhängig von dem Kontext.
Die Höhen und Tiefen einer Unterhaltungskurve
Über weite Strecken ist es dann auch tatsächlich unterhaltsam, wie Canet sich bei seiner Sehnsucht nach Anerkennung immer lächerlicher macht. Verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Mittel. Und der Schauspieler ist sehr verzweifelt. Das hat oft entsetzte Gesichtsausdrücke in seinem Filmumfeld zur Folge, auf Publikumsseite das eine oder andere Grinsen.
Zum Ende hin geht Rock’n Roll dennoch etwas die Luft aus. Das Problem ist dabei weniger, dass Canet die Geschichte bis ins Groteske überspitzt. Vielmehr wird der Komödie ihre Länge zum Verhängnis – zwei Stunden hätte es dann doch nicht gebraucht. Insgesamt ist die Auseinandersetzung mit Jugendwahn, Show-Eitelkeiten und männlichem Stolz aber sympathisch, mal clever, dann wieder etwas gröberer Natur. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich den Film daher durchaus anschauen und dabei abwechselnd über andere und sich selbst lachen, wenn man sich mehr in den Figuren wiederfindet, als man öffentlich je zugeben würde.
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