„Breathe“, UK, 2017
Regie: Andy Serkis; Drehbuch: William Nicholson; Musik: Nitin Sawhney; Kamera: Robert Richardson
Darsteller: Andrew Garfield, Claire Foy, Tom Hollander, Hugh Bonneville, Ed Speleers
Diese und keine andere: Als Robin Cavendish (Andrew Garfield) bei einem Cricket-Spiel Diana (Claire Foy) erblickt, steht für ihn fest, dass sie die Frau seines Lebens wird. Damit sollte er Recht behalten. Trotz der Skepsis des Umfeldes werden die beiden ein Paar und heiraten. Sogar Nachwuchs ist bereits auf dem Weg! Doch schon kurze Zeit später folgt die Hiobsbotschaft: Robin ist an Polio erkrankt, die ihn vom Hals ab abwärts völlig gelähmt zurücklässt. Nicht einmal atmen kann er noch ohne fremde Hilfe. Während sein Lebenswille dadurch auf eine große Probe gestellt wird, beschließt Diana, an seiner Seite zu bleiben und ihm ein möglichst menschenwürdiges Leben zu ermöglichen – auch gegen den Willen der Ärzte.
Ein echter Albtraum
Stell dir vor, du kannst plötzlich Arme und Beine nicht mehr bewegen, nicht sprechen oder essen, nicht einmal mehr selbständig atmen. Eine Horrorvorstellung? Ja, aber eine, die durchaus Realität werden konnte, wer an Polio erkrankt. Inzwischen die auch als Kinderlähmung bekannte Krankheit eine Randerscheinung – wirksamer Impfungen sei Dank. 2018 soll sie sogar ganz ausgerottet werden. In den 1950ern sah das jedoch noch ganz anders aus. Erste Impfstoffe wurden seinerzeit entwickelt, für Robin Cavendish kamen diese jedoch zu spät.
Für ihn selbst war dies natürlich eine Katastrophe. Aber er machte das Beste daraus, führte ein erstaunlich langes Leben – 36 Jahre nach der Erkrankung, prognostiziert wurden 1958 lediglich drei Monate. Vor allem setzte er sich für andere Betroffene ein. Dafür dass auch schwerkranke, vollständig gelähmte Menschen nicht einfach nur am Leben gehalten werden. Das wiederum ist eine prima Vorlage für einen Film, dachte sich zumindest Andy Serkis, der zusammen mit Robins Sohn Jonathan eine Produktionsfirma führt. Mehr noch, der vor allem für seine Motion-Capturing-Auftritte bekannte Brite (Der Herr der Ringe, Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht) nutzte die Vorlage für sein eigenes Regiedebüt.
Romantik sticht Monster
Das Ergebnis ist doch ein wenig unerwartet. Ein Mann, dessen Namen wir vor allem mit finsteren Monstern in Verbindung bringen, widmet seinen Erstling einem bedeutenden Menschen. Er widmet sie aber vor allem einer großen Liebe. Ob er nun insgeheim immer eine derartige romantische Ader hatte oder sich aus purer Berechnung für das Thema entscheiden hat, das sei dahingestellt. Zumindest aber lässt der Engländer keinen Zweifel daran, dass er hier das ganz große Kino will. Und vor allem: das ganz schöne Kino.
Die Menschen sind schön. Äußerlich sowieso, aber auch vom Charakter her – Diana ist schon recht nahe an unserer Vorstellung eines Engels auf Erden. Sie sind schön gekleidet, wohnen in schönen Häusern. Selbst die Landschaften sehen so aus, als wären sie eigentlich für einen Reisekatalog zusammengestellt worden. Zu einem gewissen Grad ist das verständlich und zu erwarten. Das harte Schicksal der Familie Cavendish aber derart zu romantisieren, damit tat Serkis sich und dem Thema keinen Gefallen.
Auf der Sonnenseite des Schattens
Völlig offen bleibt beispielsweise, wie Robin und Diana ihr Leben finanziert haben. Heißt es anfangs noch, Diana könne aus Geldnot das Haus kaum kaufen, spielt das später keine Rolle mehr. Sie fahren in Urlaub, feiern große Partys, lassen sich Autos und Geräte maßschneidern. Wirklich ärgerlich ist aber, wie die Krankheit geradezu bagatellisiert wird. So lobenswert es auch im Prinzip ist, schwerkranken Menschen Hoffnung machen zu wollen, mit der derartigen Schönfärberei allein ist es nicht getan. Es gibt keinerlei Einschränkungen oder Selbstzweifel, dafür jede Menge Humor: Vor allem die Auftritte von Hugh Bonneville als Daniel-Düsentrieb-Verschnitt Teddy ist voll von kuriosem bis absurdem Witz. Wirklich dramatisch wird es selten. Und wenn doch, dann nur in einer streng keimfreien Hochglanzvariante, damit nicht versehentlich jemand Schmerzen erleidet.
Das ist auch deshalb so fahrlässig, weil Solange ich atme das alles gar nicht gebraucht hätte. Andrew Garfield (Hacksaw Ridge – Die Entscheidung) ist großartig in seiner Rolle als charmanter und eloquenter Mann, der einen schweren Schicksalsschlag überstehen muss. Auch das Zusammenspiel mit Claire Foy (Unsane – Ausgeliefert) als willensstarker Ehefrau funktioniert sehr gut. Und nicht zuletzt bleibt da die starke, bewegende und wichtige Geschichte, die uns daran erinnert, dass Kranke auch gleichwertige Menschen sind. Allein dafür lohnt es sich, das Drama anzuschauen, selbst wenn es seinem Thema nie ganz gerecht wird.
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