„Gangcheolbi“, Südkorea, 2017
Regie: Woo-suk Yang; Drehbuch: Woo-suk Yang; Vorlage: Woo-suk Yang; Musik: Tae-seong Kim
Darsteller: Woo-sung Jung, Do-won Kwak
Eigentlich hatte Chul-woo Uhm (Woo-sung Jung) nur den Auftrag gehabt, zwei Männer auszuschalten, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen. Nichts Außergewöhnliches für den nordkoreanischen Topagenten. Und doch wird es kein Tag wie jeder anderer sein: Zwei amerikanische Raketen richten in Kaesong ein Massaker an, mitten während einer feierlichen Eröffnung, an der der Oberste Führer persönlich teilnimmt. Und wer nicht durch den Anschlag ums Leben kommt, wird durch die Armee ermordet – der nordkoreanischen. Für Uhm gibt es keine Alternative: Er muss das schwer verletzte Staatsoberhaupt in Sicherheit bringen, ausgerechnet beim verhassten Feind im Süden, und gemeinsam mit dem Politiker Chul-woo Kwak (Do-won Kwak) dafür sorgen, dass kein atomarer Krieg beginnt. Denn beide Seiten rasseln bereits mit den Säbeln …
„Wir werfen die Atombombe für euch, wenn ihr sie uns bezahlt“, sagt der amerikanische Präsident grinsend zu seinem südkoreanischen Kollegen. Dass die Zuschauer dabei unweigerlich Parallelen zu dem realen Gegenstück der US-Regierung ziehen, dessen Merkmal eher schrille Kriegsrhetorik denn diplomatisches Geschick ist, das dürfte kein Zufall sein. Bemerkenswert ist da schon eher, dass in Steel Rain nicht auch im Norden ein kleiner Mann mit großem Ego sitzt. Denn der liegt ja schwer verletzt abwechselnd in Autos oder Kliniken, wo wir ihn nie wirklich zu Gesicht bekommen.
Die kleinen Unterschiede im Nord-Süd-Gefälle
Möglich dass Regisseur Woo-suk Yang, der hier seinen eigenen Webcomic verfilmt, den Nachbarn aus dem Norden nicht ganz zu sehr auf die Füße treten wollte. Wer deren Oberhaupt nicht zeigt, der beleidigt auch niemanden. Also muss das Militär herhalten, erst einen Staatsstreich anzetteln, um im Anschluss den Süden befreien zu wollen. Was in der Logik Nordkoreas dasselbe ist wie auslöschen. Klingt komisch, ist vielleicht auch so gemeint. Definitiv komisch gemeint sind die beiden jungen Nordkoreanerinnen, die versehentlich in die Geschichte hineingezogen werden. Operation gelungen, Verstand tot: Wie die durch jahrelange Gehirnwäsche konditionierten Mädels den Führer anhimmeln, den Süden verteufeln, gleichzeitig aber die dort verteilte Nudelsuppe lieben – das ist schon erheiternd.
Gleiches gilt für das Protagonistenduo. Die ungleichen Nachbarn müssen sich erst in bester Odd-Couple-Manier finden, um anschließend gemeinsam die Welt zu retten. Oder wenigstens Korea. Auch das ist ziemlich unterhaltsam. Woo-sung Jung (The Good, The Bad, The Weird) mimt den typischen Superagenten, tough, athletisch und waffenstark. Ihm gegenüber steht Do-won Kwak (The Wailing – Die Besessenen), der irgendwie nicht so ganz als Respektsperson durchgeht. Seine Kinder tun es zumindest nicht, seine Ex-Frau ohnehin nicht. Die Befürchtung, Steel Rain könnte eine verkappte Glorifizierung des Südens sein, der den Norden vor seinem eigenen Unglück rettet, die stellt sich als weitestgehend unbegründet heraus. Kleinere patriotische Einlagen gibt es natürlich, weshalb der Film daheim mit über vier Millionen Besuchern auch zu einem richtigen Kassenschlager wurde.
Altmodisch und übertrieben, aber spaßig
In Deutschland muss sich der Actionthriller mit einem Platz beim Streaminganbieter Netflix zufriedengeben. Verständlich, die Brisanz der Geschichte ist hierzulande weniger spürbar. Aber auch ohne den realpolitischen Kontext kann man hier seinen Spaß haben. An den diversen Actionszenen beispielsweise, die – wohl auch durch die Comicwurzeln – manchmal over the top sind. Auch den beiden Darstellern sieht man ganz gern zu, wie sie ganz allein einen Atomkrieg verhindern wollen. Dass das völlig unglaubwürdig ist, stört eher minimal. Gehört beim Genre irgendwie immer dazu. Störender ist da schon, wie die anfangs eingeführten Figuren mittendrin komplett fallengelassen werden, ohne jegliche Erklärung. Umso mehr, da es sich um die weiblichen Charaktere handelt. Man offensichtlich der Meinung war, dass es sie nicht mehr braucht, sobald der Plot ernst wird. Auch sonst ist Steel Rain recht altmodisch, erinnert an vielen Stellen an Kollegen aus der Zeit des Kalten Krieges. Nur eben etwas komischer – mal freiwillig, mal unfreiwillig. Die ganz große Dringlichkeit entwickelt sich daraus dann zwar nicht. Aber es reicht, um sich einen Abend damit zu vertreiben.
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