„Where it Floods“, USA, 2017
Regie: Joel Benjamin; Drehbuch: Joel Benjamin; Musik: Joel Benjamin, Anne Beal, Jay Desrosiers, Ryan Hanson
Derzeit ist es in Europa so kalt, dass so manch einer sich fragen wird: Wie war das noch mal mit der Erderwärmung? Aber schon vorher rückte der Kampf gegen die Klimakatastrophe in der Prioliste der weltweiten Regierungen zuletzt immer weiter nach unten. Allen voran natürlich in den USA, die derzeit keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um groteske Ansichten zum Besten zu geben. Insofern ist es gleichermaßen passend und ironisch, dass ausgerechnet aus den USA ein Animationsfilm kommt, der sich mit den Folgen einer solchen Katastrophe auseinandersetzt. Nicht auf eine fantasievoll-bunte Weise, wie wir es aus den Ökomärchen für Kinder gewohnt sind. Stattdessen wird es in Where it Floods düster, sehr sehr düster.
Die Geschichte ist dabei relativ überschaubar. Erzählt wird das Schicksal der Familie Barnes. Diese harrt noch immer auf ihrem Farmland aus, das von schweren Überflutungen heimgesucht wurde. Die restliche Bevölkerung hat sich inzwischen größtenteils davongemacht, alles hinter sich gelassen, um woanders wieder von vorne anzufangen. Doch Familienüberhaupt Calvin will das nicht. Hier ist er geboren und aufgewachsen. Hier hat seine Familie schon immer gelebt. Wie könnte er sich davon trennen? Haus und Erbe aufgeben?
Zwischen Trostlosigkeit und Paranoia
Die stärksten Momente hat der Beitrag vom Anima Festival 2018 dann auch, wenn es genau darum geht. Eine Familie, die nichts mehr hat, mit sich und der Vergangenheit ringt. Viel passiert nicht während dieser Momente. Und doch liegt etwas Unheilvolles in der Luft, bedrückend und melancholisch ist die Stimmung. Trostlos sogar. Das Gefühl des Verlustes bestimmt den Alltag. Hoffnungslosigkeit. Aber auch Angst. Angst davor, sich von den eigenen Wurzeln zu trennen. Angst vor den Leuten, die umherziehen, das zurückgebliebene Land und die Häuser plündern.
Zwischenzeitlich nähert sich Where it Floods sogar einem Thriller an, wenn die Barnes auf eben solche umherziehenden Menschen treffen. Sind sie wirklich, wer sie sind? Warum treiben die sich hier rum? Was wollen sie? Regisseur und Drehbuchautor Joel Benjamin zeichnet nicht nur das finstere Bild einer Gesellschaft, die alles verloren hat. Es ist auch eine Gesellschaft, die von Paranoia beherrscht ist. Ein Endzeitfilm, der jedoch in der Gegenwart spielt.
Ein nicht alltäglicher Anblick
Leider reichte Benjamin das offensichtlich nicht und so reicherte der Filmemacher die einfache Geschichte mit unnötig dramatischen Elementen an, die nicht so recht hineinpassen. Sehenswert ist die Indieproduktion trotz dieser Entgleisungen aber ohne jede Frage. Thema und Atmosphäre sind in der Form im Bereich Animation einmalig, die Umsetzung selbst ist zumindest ungewöhnlich. Im Stil klassischer Cut-out-Animationen gehalten – siehe Der phantastische Planet oder Monty Python’s Flying Circus –, mit mal starren, dann wieder beweglichen Hintergründen, ist Where it Floods so gar nicht mit dem zu vergleichen, was die meisten heute unter Animation verstehen. Aber es sind doch interessante Einblicke, die Altes und Neues miteinander vermischen, während das Auge über die leeren Landschaften wandert, auf der Suche nach einem neuen Leben oder zumindest einer Perspektive.
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