Zwei Herren im Anzug
© X-Verleih

Zwei Herren im Anzug

„Zwei Herren im Anzug“, Deutschland, 2018
Regie: Josef Bierbichler; Drehbuch: Josef Bierbichler; Musik: Timo Kreuser
Darsteller: Josef Bierbichler, Simon Donatz, Martina Gedeck

Zwei Herren im Anzug
„Zwei Herren im Anzug“ läuft ab 22. März 2018 im Kino

Sommer 1984 in einem bayerischen Gasthaus. Die letzten Gäste schnappen sich ihre Mäntel und gehen. Nur der Wirt und Bauer Pankraz (Josef Bierbichler) und sein Sohn Semi (Simon Donatz) sind noch da. Es ist ein trauriger Anlass, der die beiden zusammengeführt hat: Theres (Martina Gedeck) ist tot, die Frau von Pankraz, die Mutter von Semi. Während sie so dasitzen, an die Verstorbene denken, an früher denken, fangen sie an zu reden. Und es gibt viel zu reden zwischen den beiden. Weil sie nie viel miteinander geredet haben. Über die Vergangenheit. Darüber, warum sie nie ein gutes Verhältnis hatten. Darüber, wie es so war, in Kriegszeiten und danach.

Eines kann man Josef Bierbichler sicher nicht vorwerfen: dass er wenig zu erzählen hätte. Bekannt ist der gebürtige Ambacher ja in erster Linie als Schauspieler, seit seinem Debüt 1976 in Werner Herzogs  Herz aus Glas hat er in Dutzenden Filmen und Theaterstücken mitgespielt. Dann und wann fühlt er sich aber auch dem Schreiben verbunden, verfasst etwa Kolumnen für die Zeitschrift Theater der Zeit. Auch zwei Romane entsprangen seiner Feder, darunter Mittelreich, auf dessen Motiven Zwei Herren im Anzug basiert.

Es gibt viel zu erzählen, wo fangen wir an?
Das Ziel ist ambitioniert, so viel ist klar: Die Geschichte Deutschland im 20. Jahrhundert anhand einer bayerischen Familie aufzeigen, das ist eine Menge Stoff. Da wäre die Armut infolge des Ersten Weltkriegs, das Unglück des Zweiten Weltkrieges, die Wirtschaftsjahre und die Studentendemonstrationen. Amerikanische Besatzung, der Verlust familiären Zusammenhalts, das Aufkommen von Fernsehen – die Liste ist lang, beeindruckend lang, streift während der Jahrzehnte andauernden Handlung eine Unmenge an Themen.

Etwas zu erzählen zu haben, ist eine gute Voraussetzung für einen Film. Nur: Allein deshalb ist ein Film aber nicht gut. Von Anfang an eiert Zwei Herren im Anzug seltsam herum, will an so vielen Orten sein, ohne sich die Mühe der Anreise zu machen. Es gibt Szenenübergänge und Themensprünge, die so abrupt ausfallen, dass der Film jedes Mal aus dem Tritt gerät. Mehrere Jahrzehnte nachmalen zu wollen, das ist natürlich eine schwierige Aufgabe, selbst wenn man sich 140 Minuten dafür nimmt. Man sollte aber doch zumindest ein Gefühl für eine Entwicklung haben. Versuchen, die Brocken anhand eines roten Fadens anzuordnen und die Illusion eines tatsächlichen Lebens zu erzeugen.

Dialoge aus einer anderen Welt
Besonders schlimm sind in der Hinsicht die Dialoge zwischen Pankraz und Semi in der Wirtschaft. Da folgen Worte nach Worten, ohne dass Bierbichler sich darum scheren würde, ob diese Worte in einer Beziehung zueinander stehen. Das mag man als passend ansehen, schließlich haben die beiden es nie gelernt, miteinander zu reden. Wie kaputt das Verhältnis ist, das lernen wir aus den langen Flashbacks, aus denen der Film in erster Linie besteht. Das alleine reicht aber als Rechtfertigung nicht aus, um in einer derartigen Willkürlichkeit Dialogfetzen aneinanderzureihen. Das was die beiden da tun, ist zu unnatürlich, zu konstruiert, um als Gespräch zweier realer Personen durchzugehen. Ist viel zu oft zu offensichtlich Mittel zum Zweck, um Szenen einzuleiten oder zu bewerten.

Auch sonst ist Zwei Herren im Anzug eine verwirrende Mischung aus schrecklicher Plumpheit und befremdlicher Losgelöstheit von der Realität. Die Figuren verhalten sich auf eine kaum nachzuvollziehende Weise, ein Sturm macht sich erst dann bemerkbar, als er für einen Dialog gebraucht wird. Und auch die Entscheidung, die alte Zeit in Schwarzweiß zu zeigen, mittendrin aber in Farbe zu wechseln, irritiert mehr, als dass sie etwas bringen würde. Interessanter sind da schon andere Irritationen. Dass Simon Donatz beispielsweise den erwachsenen Sohn sowie seinen eigenen jungen Vater spielt, das ist zumindest originell. Auch der eine oder andere surreale Moment sticht positiv hervor. Aber es ist nicht genug. Dafür ist der Hang des Films zum Sonderbaren letztendlich zu zaghaft und versprengt. Der Versuch, gleichzeitig eine große Familiengeschichte zu erzählen und das Publikum zu provozieren, geht nicht auf, das Drama funktioniert weder als das eine, noch als das andere.



(Anzeige)

Mit „Zwei Herren im Anzug“ versucht Josef Bierbichler, eine große Familiengeschichte und damit die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert zu erzählen, will diese gleichzeitig aber auch komisch brechen. Überzeugend ist das Ergebnis nicht. Die surrealen Elemente sind zu zaghaft, führen zusammen mit willkürlichen Dialogen und plumpen Übergängen lediglich dazu, dass der Film keines seiner Ziele wirklich erreicht.
4
von 10