„Pickpockets“, Kolumbien, 2017
Regie: Peter Webber; Drehbuch: Alejandro Fadel, Martín Mauregui, Sandro Romero Rey, Simon Stephens, Roberto Rubiano Vargas; Musik: Alex Heffes
Darsteller: Carlos Bardem, Emiliano Pernía, Dubán Andrés Prado
Ehrliche, harte Arbeit? Nein, daran haben Fresh (Emiliano Pernía) und Doggy (Dubán Andrés Prado) eher weniger Interesse. Wozu auch? Sie leben schließlich in Bogotá, der kolumbianischen Hauptstadt, der Hauptstadt der Kriminalität. Und so schlagen sich die beiden Jugendlichen als Taschendiebe durchs Leben, nehmen von den Reichen und behalten das Geld für sich. Bis sie Chucho (Carlos Bardem) begegnen. Der ist eigentlich Wachmann, der einen oder anderen kriminellen Tätigkeit aber nicht abgeneigt. Und so macht er es sich zur Aufgabe, den Nachwuchs auszubilden, um mit ihnen gemeinsam mal richtig schön abzusahnen.
Während sich das spanische Kino in den letzten Jahren mit Titeln wie Mörderland – La Isla Mínima oder Der unsichtbare Gast als Lieferant erstklassiger Thriller einen Namen gemacht hat, ist aus Südamerika nur wenig zu sehen. Manchmal führen US-Drogenabenteuer bis nach Mexiko oder Kolumbien, das war es dann aber auch schon. Eine Lücke, welche der Netflix-Film Pickpockets – Meister im Stehlen (Alternativtitel: Carteristas – Taschendiebe) nun füllen möchte. Oder zumindest so tut als ob.
Eine Figur aus dem Nichts
Wer aber nun auf die lateinamerikanische Ausgabe der oben genannten Filme hofft, der wird schnell enttäuscht. Zum einen wird mal wieder ein Spanier eingebaut, vielleicht in dem Glauben, dadurch die internationalen Chancen zu erhöhen. Dieses Mal ist es Carlos Bardem (Scorpion – Brother. Skinhead. Fighter.), der als Exil-Spanier zwischen die Fronten von Gesetz und Kriminalität gerät. Für den Inhalt spielt die Nationalität keine große Rolle, abgesehen davon, dass auf diese Weise die Sehnsucht des Verbrechenstrainers nach einem normalen Leben verstärkt wird. Denn das wartet daheim in Spanien, zusammen mit der Familie. Warum auch immer.
Kontexte sind in Carteristas aber ohnehin nicht von größerem Interesse. Recht wenig erfährt man über die beiden Jungs, abgesehen davon, dass sie nicht wirklich viel arbeiten wollen, um ans Geld zu kommen. Lohnt sich nicht, sehen sie ja zu Hause. Weiter ausgebaut wird dieser kurze Anflug von Sozialkommentar aber nicht. Stattdessen konzentriert sich der Film lieber auf die Versuche, die bisherige Kleinkriminalität zu professionalisieren. Dazu gehört eine Unterrichtseinheit zur richtigen Technik, denn auch Stehlen will gelernt sein. Und natürlich die Frage, wo es sich besonders schön rentiert zuzugreifen.
Wenig Action, wenig Spannung
Das ist alles irgendwo in Ordnung, ist teilweise auch ansehnlich bebildert. Wirklich viel Spannung tritt dabei jedoch nicht auf. Anders als die spanischen Kollegen versucht Carteristas nicht einmal, das Publikum zu überraschen, sondern spult brav sein Programm ab. Es folgen die üblichen Konflikte, die üblichen Konstellationen auch. Das fällt hier noch etwas stärker auf als sonst, da reine Actionszenen Mangelware sind. Regisseur Peter Webber (Zehn Milliarden) und seine fünf (!) Drehbuchautoren konzentrieren sich lieber auf die Figuren, was es umso unverständlicher macht, dass diese so langweilig und nichtssagend sein mussten.
Der interessanteste Aspekt ist noch, wie Carteristas versucht, Verbrecher als Helden zu etablieren. Das tun andere natürlich auch. Normalerweise wird dabei jedoch der Ansatz verfolgt, den Figuren sympathische Eigenheiten mitzugeben oder auch überzeugende bis emotionale Gründe, warum sie auf Beutezug gehen. Hier nicht. Allenfalls der Kontrast mit den noch größeren Verbrechern auf beiden Seiten des Gesetzes motiviert ein wenig, sich für sie zu entscheiden. Schließlich sind sie das kleinere Übel. Zum Daumendrücken reicht dies aber nicht, eigentlich ist es einem ziemlich egal, was mit den Leuten hier passiert. Und das ist in Filmen selten eine gute Voraussetzung, unabhängig von Herkunft und Genre.
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