„Christine“, USA, 2016
Regie: Antonio Campos; Drehbuch: Craig Shilowich; Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
Darsteller: Rebecca Hall, Michael C. Hall, Tracy Letts, Maria Dizzia, J. Smith-Cameron, John Cullum
Christine (Rebecca Hall) ist Journalistin bei einem Kleinstadt-Nachrichtensender in Florida. Ihr Arbeitsethos ist groß und so versucht sie immer wieder soziale und emotionale Geschichten zu erzählen. Ihr Chef ist dagegen nur auf Quote aus und verlangt mehr reißerische Sensationen. Einzig ihre Kollegen George (Michael C. Hall) und Jean (Maria Dizzia) machen ihr Hoffnung und versuchen ihr Kraft zu geben. Doch die unnahbare, von Depressionen geplagte Christine macht ihre Probleme lieber mit sich aus – egal ob beruflich oder privat. Eine fatale Entscheidung.
Die wahre Geschichte der Moderatorin und Reporterin Christine Chubbuck ist eigentlich so unglaublich und dramatisch, dass es verwundert, erst jetzt einen Film darüber zu sehen. Zwar diente die Story Paddy Chayefsky vermutlich als Inspiration für sein Drehbuch zum vierfach Oscarprämierten Network (1976) von Sidney Lumet, doch Chubbucks Geschichte blieb bis zu Christine unverfilmt. Wer ihre Geschichte nicht kennt, dem sei mit Absicht die dramatische Wendung nicht verraten, auch wenn sich der Film von Regisseur Antonio Campos (Simon Killer) selbst ohne diesen Twist lohnt. Zu verdanken ist das vor allem der grandiosen Performance Rebecca Halls, welche hier vielleicht die Leistung ihrer Karriere ablegt.
Facettenreiches Porträt einer in sich zerrissenen Frau
Ihre Christine lässt den Zuschauer alle Facetten der gebeutelten Journalistin förmlich spüren. Egal ob depressive Phasen, Hoffnungsschimmer, Verzweiflung oder pure Resignation. Mit kleinsten Gesten nimmt sie den Zuschauer mit auf die Reise durch die Gefühlswelt einer Frau im Kampf zwischen Arbeit und Privatleben, zwischen Passion und Depression. Doch auch wenn Rebecca Hall den Film trägt, ihre Kollegen spielen ihr die Bälle für eine herausragende Performance zu. Vor allem mit dem von Tracy Letts (Lady Bird) gespielten Boss Michael liefert sich Christine immer wieder Diskussionen zwischen Ironie und Wut. Letts verkörpert dabei den Boss nicht als raffgierigen Quotenfanatiker, sondern als hilflosen Chef, der keine andere Möglichkeit sieht, seinen Sender und seine Mitarbeiter vor dem Aus zu retten. Und auch der nicht mit Rebecca Hall verwandt oder verschwägerte Michael C. Hall (Dexter) mimt den sympathischen, aber nicht ernsthaft an Christine interessierten Moderator George mit der nötigen Portion Zurückhaltung.
Am Ende ist Christine ein Film, der fesselt, bewegt und schockiert. Eine Geschichte und eine Protagonistin, die Aufmerksamkeit verdienen und ein Film, der genau zum richtigen Zeitpunkt erscheint. Während Meryl Streeps Performance der Washington Post-Chefin Katherine Graham in Die Verlegerin mit einer Oscarnominierung bedacht wird, ist die deutlich günstigere Erzählung über ein deutlich kleineres Rädchen im Mediengetriebe der 1970er-Jahre vielleicht sogar der aktuellere und wichtigere Beitrag in der derzeitigen feministischen, wie auch journalistischen Diskussion.
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