„Come Sunday“, USA, 2018
Regie: Joshua Marston; Drehbuch: Marcus Hinchey; Musik: Tamar-kali
Darsteller: Chiwetel Ejiofor, Condola Rashad, Jason Segel, Lakeith Stanfield
Viele Jahre hat Carlton Pearson (Chiwetel Ejiofor) in seiner Gemeinde in Tulsa, Oklahoma gepredigt, die Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe geeint, ihnen Hoffnung, aber auch Mahnungen mit auf den Weg gegeben. Bis er eines Tages selbst die Stimme Gottes hörte. Es gebe keine Hölle, sagte diese ihm, die Menschen müssen nicht erst gerettet werden. Das seien sie schon. Als er dies in seiner nächsten Predigt verkündet, sind die anderen geschockt – allen voran sein Partner Henry (Jason Segel). Doch Carlton lässt sich davon nicht beirren, nicht von den Vorwürfen, er sei ein Ketzer. Auch wenn er an sich zweifelt, er muss diese Nachricht weiter verbreiten, selbst auf die Gefahr hin, alles zu verlieren, das er sich in den Jahren zuvor aufgebaut hat.
An eine Sache zu glauben, viele Jahre lang, nur damit einem später jemand sagt, dass die Sache falsch ist oder nicht existiert, das kann hart sein. So erging es den Zuhörern von Carlton Pearson, als der Anfang des 00er-Jahre begann, seine Vision einer höllenfreien Welt zu erläutern. Pearson, der in seiner Hochphase mehr als 5.000 Menschen in seine Predigten lockte, verlor rasend schnell an Einfluss, musste sich gegen scharfe Attacken der traditionelleren Gläubigen wehren und später wieder ganz von vorne anfangen.
Kontexte: Mangelware
Come Sunday, das seine Weltpremiere auf dem Sundance Filmfestival 2018 feierte und mittlerweile auf Netflix verfügbar ist, konzentriert sich in erster Linie auf diese prägende Zeit im Leben von Pearson. Die Vorgeschichte wird nur in recht knappen Dialogen wiedergegeben. Das Verhältnis zu seiner Frau Gina (Condola Rashad) beispielsweise rückt stark in den Hintergrund. Auch die an und für sich spannende Tatsache, dass es der Prediger schaffte, Schwarze und Weiße gleichermaßen in seinen Bann zu ziehen, wird nur beiläufig aufgeführt, um die Ungeheuerlichkeit seiner Thesen zu unterstreichen. Ausgerechnet er, der so viele Menschen erreichte, verstört sie nun durch seine – wie er sagt – gottgesegnete Schließung der Hölle.
Wie viel Eindruck Come Sunday beim Zuschauer hinterlässt, hängt dann auch maßgeblich davon ab, wie sehr man diesen Glauben teilt. Wer dies tut, der könnte – auch Jahre später – immer noch schockiert sein, wie ein einzelner Mann, ein Prediger auch noch, einen Grundpfeiler des Christentums entfernt. Oder das, was früher als einer der Grundpfeiler galt. Als Film selbst das Biopic aber nur sehr wenig zu erzählen. Schon die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Hölle ist ziemlich knapp. Die einen glauben daran, Carlton nun nicht mehr. Es werden von beiden Seiten ein paar Bibelverse zitiert, die sich gegenseitig widersprechen. Das aber war es auch schon. Da sich die jeweilige Überzeugung eben nicht auf Beweise stützt, nicht stützen kann, bleiben die Behauptungen der Kontrahenten im Raum stehen, ohne dass es zu einer nennenswerten Diskussion käme.
Ein Held der Menschen?
Greifbarer sind da schon die Widersprüche in Carlton selbst. Er, der inspiriert von dem Leid der Menschen in Afrika die Welt retten will (auch wenn er das Gegenteil behauptet), ist an anderen Stellen zu sehr in seinem Glauben verfestigt, wenn es an das Individuum geht. Demonstriert wird das bei seiner Familie, sein Onkel sitzt im Knast, während er sich weigert, sich für ihn einzusetzen. Und auch der junge Schwarze Reggie (Lakeith Stanfield), schwul und langsam an AIDS sterbend, braucht sich keine Hoffnung darauf zu machen, erlösende Worte von Carlton zu hören. Eine Hölle mag es für den Prediger nicht mehr geben. Dass Reggie mit Männer sexuell aktiv ist, das bleibt dennoch eine Sünde.
Come Sunday wäre deutlich interessanter, wenn sich der Film auf diese Reibeflächen konzentrieren würde. Wenn das Drama die Widersprüchlichkeit in Carlton stärker beleuchtete oder eben die Streitigkeiten zwischen den unterschiedlichen Glaubensauffassungen stärker vertiefte. So bleibt aber ein Werk, das irgendwie nichts so richtig macht. Als Individuum bleibt Carlton zu schwammig, die Konflikte sind zu brav, es fehlt der Mut zur Kontroverse und wirklich Schmerzhaftem. Einzelne Punkte sind dann noch interessant genug, dass man sich das Netflix Original anschauen kann. Ein vergleichbar einschneidendes Erlebnis, für Carlton wie auch seine Gemeinde, ist die filmische Umsetzung aber nicht.
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