„Early Man – Steinzeit bereit“, UK, 2018
Regie: Nick Park; Drehbuch: Mark Burton, James Higginson; Musik: Harry Gregson-Williams, Tom Howe
Das Leben von Dug und den anderen Menschen seines Steinzeitclans war bislang eigentlich immer recht beschaulich gewesen. Wenn sie nicht gerade Jagd auf Hasen machen oder vor Mammuts fließen, genießen sie den Einklang mit der Natur. Bis eines Tages die Menschen in ihren beschaulichen Wald eindringen, die bereits im Bronzezeitalter angekommen sind. Die sind nicht nur technisch deutlich fortschrittlicher, sondern auch ohne jegliche Skrupel. Ehe Dug und der Rest es sich versehen, wurden sie bereits aus ihrem Paradies geworfen, schließlich sollen sich große Bronzevorkommen in dem Tal befinden. Eine Möglichkeit gibt es jedoch vielleicht, das Übel noch abzuwenden: Die Steinzeitmenschen müssen ihre moderneren Zeitgenossen in einem Fußballspiel schlagen. Dann dürfen sie zurück. Doch das ist leichter gesagt denn getan, fehlen ihnen doch Mittel wie Erfahrung dazu.
Über das Thema Stop-Motion zu schreiben und Aardman Animations dabei außen vor zu lassen, das ist nahezu unmöglich. Bis zum Auftauchen der amerikanischen Kollegen von Laika (Coraline, Kubo – Der tapfere Samurai) waren die Briten mehr oder weniger das einzige Animationsstudio von Weltruhm, das sich noch auf diese altehrwürdige Technik verstand. Mehrere Oscars haben sie gewonnen, uns im Laufe unzählige unvergessliche Figuren beschert – von den Kuriositäten in Creature Comforts über das Kultduo Wallace & Gromit bis zu dem etwas anderen Prison-Escape-Gegacker Chicken Run – Hennen rennen.
Rückkehr eines Pioniers
In den letzten Jahren war der Output der Künstler jedoch ein klein wenig enttäuschend gewesen. Die Qualität stimmte sicherlich, in punkto Abwechslungsreichtum ließ Aardman jedoch eine Menge zu wünschen übrig. Shaun das Schaf und dessen Kinder-Ableger Timmy das Schäfchen, viel mehr gab es da nicht. Auch diese Abenteuer machten natürlich Spaß, allen voran der große Kinoauftritt Shaun das Schaf – Der Film. Aber es fehlte doch das Ungewöhnliche, die Exzentrik, für die die Briten so bekannt waren. Entsprechend groß waren die Erwartungen an Early Man gewesen. Nicht nur, dass es der erste Original-Kinofilm seit Die Piraten! – Ein Haufen merkwürdiger Typen war. Zudem führte Nick Park erstmals seit Wallace & Gromit – Auf Leben und Brot wieder selbst Regie.
Erfüllt werden diese Erwartungen jedoch nur zum Teil. Das Positive vorweg: Early Man ist ein visuelles Wunderwerk, das trotz des Verzichtes auf große Computereffekte à la Laika so viel fürs Auge bietet, dass man den Film eigentlich gleich mehrfach anschauen müsste. Dynamische Kamerafahrten, ausgefeilte Figuren nebst geschmeidiger Animationen – selbst geschulte Augen vergessen hier rasch, dass in mühselig-altmodischer Weise Knetmassefiguren bewegt werden. Im Gegensatz zu den früheren Filmen von Aardman gibt es hier sogar recht viele und unterschiedliche Schauplätze, womit eine der wenigen Schwachstellen der Klassiker ausgemerzt wurde, die doch immer ein recht beschränktes Setting hatten. Ob es der Wald ist, die vulkanische Einöde oder die Bronzestadt, der Film quillt über vor lauter Details.
Altertümliche Geschichte, in mehr als einer Hinsicht
Inhaltlich ist Early Man jedoch leider sehr viel weniger kreativ. Die Grundgeschichte, in der sich Underdogs gegen arrogante Platzhirsche durchsetzen müssen, die gehört zu den beliebtesten und unverwüstlichsten Themen im Filmbereich, gerade auch beim Thema Sport. Weder Park, der die Originalidee entwickelte, noch sein Drehbuchteam fanden jedoch eine Möglichkeit, aus dem Dauerbrenner mehr herauszuholen. Dass die Briten das Szenario in die Steinzeit verlegt haben, bietet natürlich eine reizvolle Alternative zu den üblichen Liga- bzw. Highschool-Sport-Abenteuern. Es reicht aber nicht, um über die vorhersehbare Geschichte und die recht blassen Figuren hinwegzutäuschen. Waren es einst gerade die so ausdrucksstarken Charaktere wie eben Erfinderchaot Wallace und sein treu-gewiefter Hundesidekick Gromit, die den Geschichten erst den letzten Kick gaben, fehlt das hier. Das fußballverrückte Schwein Hognob ist beispielsweise eine ambitionslose Kopie seines tierischen Vorgängers. Nicht einmal Dug hat wirklich etwas zu sagen oder zeigen. Beim Rest sieht es noch schlimmer aus.
Spaß macht Early Man natürlich trotzdem. Park und sein Team schaffen es dabei, wie in glorreichen Zeiten Witze für junge wie auch ältere Zuschauer hineinzupacken. Während Kinder sich an den komisch gestalteten Figuren, diversen Slapstickszenen und dem hohen Tempo erfreuen, gibt es für Erwachsene beispielsweise Anspielungen auf selbstverliebte, geldgierige Fußballvereine oder nationale Streitigkeiten. Wie immer erheiternd sind auch die diversen Wortspiele, die naturbedingt nur im englischen Original funktionieren. Zu mögen gibt es also einiges in dem Film, die Rückkehr des Animationspioniers ist mehr als willkommen. Sie fällt nur nicht ganz so triumphal aus, wie es angesichts der langen Wartezeit angemessen gewesen wäre.
(Anzeige)