„Isle of Dogs“, USA/Deutschland, 2018
Regie: Wes Anderson; Drehbuch: Wes Anderson; Musik: Alexandre Desplat
Es gibt einfach zu viele Hunde, das steht für Bürgermeister Kobayashi eindeutig fest. Als dann auch noch diverse Krankheiten grassieren, fasst er den Entschluss, sämtliche Hunde aus Megasaki City zu verbannen und auf einer künstlichen Müllinsel auszusetzen. Selbst sein eigener Familienhund Spots, der als Bodyguard auf seinen adoptierten Neffen Atari aufpasst, fällt dieser Maßnahme zum Opfer. Während der Bürgermeister seine nunmehr hundefreie Metropole genießt und sich auf die Wiederwahl vorbereitet, bricht Atari zu der Müllinsel auf, um dort seinen alten Freund wiederzufinden. Unterstützung erhält er dabei durch eine Gruppe ehemaliger Schoßhunde, die ebenfalls dort zurückgelassen wurden und die nur zu gerne wieder zurück in die Zivilisation würden.
Vier Jahre Wartezeit, das ist schon recht viel. Vor allem, wenn es darum geht, auf einen neuen Film von Wes Anderson zu warten. Denn auch wenn der amerikanische Regisseur mittlerweile den Status des Geheimtipps hinter sich gelassen hat, sein letztes Werk Grand Budapest Hotel sogar ein richtiger Kassenerfolg wurde, es findet sich einfach niemand, der tatsächlich vergleichbare Filme dreht. Und das gilt dann auch für Isle of Dogs, welches natürlich jede Menge Vergleiche provoziert, zu eigenen wie anderen Werken. Das letzten Endes aber doch einzigartig ist.
Die strenge Welt des Wahnsinns
Da wäre zunächst einmal die Geschichte, die viel zu seltsam und verrückt ist, um in einem großen Film Platz zu finden. Hunde, die auf eine Müllinsel verbannt werden? Warum sollte man so etwas tun? Aber Andersons Filme waren nie solche, in denen Logik eine besonders große Rolle spielte. Oder Realismus. Die Figuren waren immer skurril, die Schauplätze sind verschwenderisch detaillierte Bühnen, deren starre Perspektiven und strenge Symmetrie in einem reizvollen Widerspruch zu dem Inhalt stehen. Je fester das Umfeld, umso losgelöster das, was darin passiert – so scheint es.
Es wäre daher schade, zu viel schon vorab zu erzählen. Der Reiz von Isle of Dogs liegt darin, dass Andersons Geschichte zwar an und für sich sehr simpel ist, das Mensch-Hund-Abenteuer aber immer wieder unerwartete Plätze entdeckt, seltsame Figuren hervorbringt und einen mit trocken-absurden Witzen zum Lachen bringt. Es ist noch nicht einmal so, dass man sich auf einen durchgängigen Ton verlassen sollte. Während manches hier nicht weit von Märchen entfernt ist, einiges auf unschuldige Weise schrullig, lauert bereits der nächste Abgrund. Immer wieder schleichen sich morbide bis grausame Momente in das nur auf den ersten Blick so kindliche Abenteuer.
Ein Film voller Widersprüche
Das steht dann auch in einem ziemlichen Kontrast zu dem Inhalt, der immer mal wieder zu Klischees neigt. Gerade die typisch japanischen Postkartenmotive sowie die Figur einer amerikanischen Austauschschülerin, welche zur Retterin der einheimischen Hunde wird, zogen so manche Kritik auf sich. Aber auch die eigentliche Geschichte folgt erstaunlich vielen ausgetretenen Pfaden. Durch die ständigen Flashbacks und die damit durcheinandergebrachte Chronologie wird die starke Gradlinigkeit zwar etwas verzerrt, aber doch nicht ernsthaft aus dem Konzept gebracht.
Und doch ist Isle of Dogs, das als Weltpremiere die Berlinale 2018 eröffnete, einer der schönsten und wunderlichsten Filme, die dieses Jahr gesehen hat. Daran hat – wie immer bei Anderson – die Optik einen erheblichen Anteil. Die technische Brillanz der Stop-Motion-Kollegen von Laika (Kubo – Der tapfere Samurai) erreicht das hier sicher nicht. Soll es aber auch nicht. Durch die Wahl der Perspektiven, welche das Geschehen oft von der Seite her zeigen, gibt es keine Möglichkeit von dynamischen Kamerafahrten, die wir von anderen Animationsfilmen kennen. Die Animationen selbst sind ebenfalls nicht auf dem Stand der Konkurrenz. Und auch in punkto Effekte spielt Isle of Dogs nicht in derselben Liga, nutzt sympathisch altertümliche Mittel, etwa bei der Darstellung von Rauch. So wie dort ist vieles, was eigentlich ein Manko sein sollte, am Ende keins. Anderson hat sich hier eine ganz eigene Welt zusammengebastelt, die nicht nach den Regeln spielt, so wie wir sie kennen. Eine Welt, die wunderschön und bizarr ist, in der Zukunft angesiedelt ist und doch völlig unabhängig jeglicher Zeit existiert.
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