„Layla M.“, Niederlande/Belgien/Deutschland, 2017
Regie: Mijke de Jong; Drehbuch: Mijke de Jong, Jan Eilander; Musik: Can Erdogan
Darsteller: Nora El Koussour, Bilal Wahib, Ilias Addab
Geboren wurde die 18-jährige Layla (Nora El Koussour) zwar in Amsterdam. In erster Linie identifiziert sich die Tochter marokkanischer Einwanderer aber als Muslimin. Dass der Rest der Familie weniger stark gläubig ist, hält sie davon nicht ab. Auch nicht der tägliche Rassismus, mit dem sie konfrontiert wird. Im Gegenteil: Je größer die Widerstände sind, umso mehr identifiziert sie sich mit dem Islam, umso radikaler wird sie auch in ihren Ansichten. Sie setzt sich für den islamischen Glauben ein, für die Opfer in Syrien und in Gaza. Als sie Abdel (Ilias Addab) heiratet und mit ihm fortgeht, gerät sie ins Visier der Behörden, die in dem jungen Paar eine potenzielle Gefahr erkennen.
In den letzten Jahren ist Rassismus bekanntermaßen europaweit wieder hoffähig geworden. So hoffähig, dass schon Jubelarien ausbrechen, wenn mal keine mit fremdenfeindlichen Parolen um sich werfenden Nationalisten in die Regierung einziehen. Eines der ersten Länder, das einen solchen Rechtsruck verkraften musste, waren die Niederlande, die nach der Ermordung des Politikers Pim Fortuyn und des Regisseurs Theo van Gogh ihre ursprünglich so weltoffene Ansichten wieder relativierte.
Eine Gesellschaft zerstört sich selbst
Wenn Layla M. über eine Radikalisierung niederländischer Muslime spricht, teils als Gegenreaktion zu dem Rechtsruck, dann ist das nur der nächste Schritt im Teufelskreis einer auseinanderbrechenden Gesellschaft. Dass die Titelprotagonistin Tochter marokkanischer Einwanderer ist, dürfte ebenso wenig eine zufällige Wahl gewesen sein – auch van Goghs Mörder war ein niederländisch-marokkanischer Fundamentalist.
Ganz so weit ist die Radikalisierung von Layla natürlich nicht fortgeschritten. Sie ist aufbrausend, ja, legt sich mit jedem an, der ihr irgendwie in die Quere kommt – Familie, Polizei, ein Schiedsrichter –, sie sympathisiert auch offen mit Vorkämpfern des Islams. Und doch erschrickt sie bei dem Anblick von Waffen, als ihr allmählich klar wird, in welche Gesellschaft sie da geraten ist. Wie sehr sie sich vielleicht verrannt hat, wie sehr sie in Umkehrung des Rassismus alles verklärt, was sich für den Islam einsetzt.
Die ewige Frage nach dem warum
Wie es bei ihr so weit kommen konnte, das lässt die niederländische Regisseurin und Co-Autorin Mijke de Jong indes offen. Anders als der französische Kollege Der Himmel wird warten, der auf nachvollziehbare Weise zeigte, wie eine naive Jugendliche sich radikalen Strömungen anschließt, bleibt Layla für die Zuschauer ein Rätsel. Und für die Eltern ebenfalls. Es wird gestritten in dem Haus der 18-Jährigen, sehr viel sogar. Aber kaum geredet. Keiner versucht, die Beweggründe des Mädchens nachvollziehen zu können, auch Layla diskutiert nicht. Stattdessen gibt es die typischen rebellischen Momente eines Teenagers, verbunden jedoch mit der religiösen Komponente. Anstatt durch etwa Musik oder Piercings ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren, trägt Layla nun Schleier und zieht sich zurück.
Was Layla M. anschaulich vorführt, ist die Hilflosigkeit der Eltern, die mitansehen müssen, wie ihre Tochter ihnen entgleitet. Ob sie nun wie der Vater mit Druck reagieren oder wie die Mutter mit Milde, es macht keinen wirklichen Unterschied. Diese Hilflosigkeit ist dann gleichzeitig Stärke und Schwäche des Films. Auf der einen Seite vermittelt der Beitrag vom Filmfest München 2017 ein unglaublich beklemmendes Gefühl, weil sich hier etwas unserem Verständnis und unserer Kontrolle entzieht. Gleichzeitig entsteht dadurch aber auch eine Distanz, die das Drama nie wirklich überwindet. Auch wenn es Layla anderthalb Stunden folgt, die Kamera ihr immer dicht auf den Fersen, sie bleibt eine Fremde, deren Handeln nicht greifbar wird. Eine Figur, die durchaus tragisch ist und schmerzhafte Erfahrungen machen muss, die einem aber nie nah genug geht, um dauerhaften Eindruck zu hinterlassen.
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