„El libro de Lila“, Kolumbien/Uruguay, 2017
Regie: Marcela Rincón Gonzalez; Drehbuch: Marcela Rincón Gonzalez; Musik: Juan Andrés Otálora Castro
Als Lila den Schwarm finsterer Vögel sieht, da weiß sie bereits, dass Unheil droht. Und so kommt es auch: Sie schnappen sich ihr Buch und fliegen damit auf und davon. Nur einer kann ihr dabei helfen, das Buch zurückzuholen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn Ramon kann sich gar nicht mehr an das Buch erinnern. Oder an Lila, die bis vor Kurzem noch in diesem Buch lebte. Warum auch? Er ist doch jetzt ein großer Junge und braucht solche Fantasy-Geschichten nicht mehr. Lila schon. Denn wenn das Buch erst einmal komplett vergessen ist, dann wird sich auch an sie niemand mehr erinnern, wird sie einfach so verschwinden. Also müssen sie und ihre neue Freundin Manuela Ramon erst überzeugen, damit er mit ihnen auf ein großes Abenteuer geht.
Ein seltener Gast auf deutschen Leinwänden
Das südamerikanische Kino genießt in Deutschland ziemlichen Exotenstatus. Wenn überhaupt, dann finden dann und wann mal Dramen ihren Weg hierher, die von ärmlichen Verhältnissen berichten oder sich mit der Situation der indigenen Völker auseinandersetzen. Umso schöner ist es, dass wir dieses Jahr zumindest auf Festivals kleine Einblicke in die dortige Animationsszene gewinnen dürfen, die sehr viel spannender und abwechslungsreicher ist, als man es vielleicht erwarten dürfte. Erst liefen auf der Berlinale das Schwarzweiß-Familiendrama Virus Tropical aus Kolumbien/Ecuador sowie der chilenische Stop-Motion-Albtraum The Wolf House. Nun bringt uns das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart Lila’s Book als Deutschlandpremiere, dessen Wurzeln in Kolumbien/Uruguay liegen.
Wobei das Spielfilmdebüt von Regisseurin und Drehbuchautorin Marcela Rincón Gonzalez durchaus in der Tradition bekannter Klassiker steht. Das Hochhalten von Fantasie, die Würdigung des Erinnerns, das sind immer wieder gern gesehene Elemente der Jugendunterhaltung. Die parallelen Welten der Realität und des Buches, da wird manch einer an Die unendliche Geschichte denken. Auch Coco – Lebendiger als das Leben betonte etwa zeitgleich zu Lila’s Book die Bedeutung, sich an geliebte Menschen zu erinnern. Erst wer vergessen ist, verschwindet wirklich, so das übereinstimmende Fazit.
Jede Bewegung ein Kampf
Mit der Klasse des Pixar-Superhits kann es Lila’s Book wenig überraschend natürlich nicht aufnehmen, das verhindern schon die Welten, welche die jeweiligen Budgets trennen. Während die Südamerikaner zumindest in den späteren, leicht surreal angehauchten Szenen ihre Fantasie spielen lassen, ist der 2D-Animationsfilm technisch recht bescheiden. Vor allem die Animationen selbst lassen doch einiges zu wünschen übrig. Da werden so viele Zwischenschritte weggelassen, dass man meinen könnte, die Figuren hätten nicht nur einander, sondern auch das Laufen vergessen.
Aber auch inhaltlich wäre da doch noch mehr drin gewesen. So verpasst es Gonzalez, ihren jugendlichen Helden nennenswerte Persönlichkeiten mit ins Abenteuergepäck zu geben. Gleich ob irdischen oder literarischen Ursprungs, wir erfahren eigentlich nichts über die drei Kinder. Warum es beispielsweise unbedingt Manuela in der Geschichte gebraucht hat, das wird nicht wirklich klar. Und es wäre schon schön gewesen, noch mehr über die Parallelwelt zu erfahren, in der die vergessenen Objekte enden, noch mehr von ihr zu sehen. Dafür war bei der Laufzeit von knappen 70 Minuten aber wohl nicht genug Raum gewesen. Schade drum. Dennoch bleibt ein nettes Animationsabenteuer für eine etwas jüngere Zielgruppe, das mit seinem Bekenntnis zum inneren Kind auch das eine oder andere ältere Herz erfreuen dürfte.
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