Nobodys Watching
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„Nadie Nos Mira“, Argentinien/Kolumbien/Brasilien/USA/Frankreich, 2017
Regie: Julia Solomonoff; Drehbuch: Julia Solomonoff, Christina Lazaridi; Musik: Sacha Amback, Pablo Mondragón
Darsteller: Guillermo Pfening, Elena Roger, Rafael Ferro

Nobodys Watching
„Nobody’s Watching“ läuft ab 5. April 2018 im Kino

Um seine Karriere musste sich Nico (Guillermo Pfening) bislang nur wenig Sorgen machen. Schließlich war er einer der Stars einer erfolgreichen argentinischen Soap Opera. Eine wirkliche Perspektive bot ihm diese Arbeit jedoch nicht. Also versucht er sein Glück in den USA. Ein Angebot für einen Film hat er bereits, der Regisseur persönlich will mit ihm zusammenarbeiten. So zumindest hieß es. Immer wieder werden jedoch die Dreharbeiten verschoben, andere Rollen sind nicht in Sicht. Um sich überhaupt über Wasser zu halten, kümmert er sich um den Sohn einer Freundin. Aber auch hier zeichnen sich bald Schwierigkeiten ab.

Lange dauert es, bis der eine Satz fällt, der Nobody’s Watching seinen Titel gegeben hat. Gelegenheiten hat es zuvor jedoch eine ganze Reihe gegeben, Kontexte, in denen die Aussage mindestens ebenso gut, wenn nicht gar besser gepasst hätte. Das ist irgendwie komisch bei einem Film, der von einem Schauspieler handelt. Einem Menschen also, der davon lebt, dass andere Leute ihn anschauen. Komisch im bitteren Sinn. Vielleicht sogar auch wirklich traurig, so wie das Schicksal von Nico wenig Anlass für Freude gibt. Nicht ihm. Nicht dem Publikum, das ihn sehr wohl sieht.

Von Schwulen, Latinos und anderen Außenseitern
Da wäre die US-amerikanische Filmbranche, die in ihm keinen verwertbaren Schauspieler sieht. Da wären die Kameras in den Supermärkten, vor denen er recht ungeniert stiehlt, ohne dass ihn jemand wahrnehmen würde. Und auch im rein Privaten, seinem Liebesleben, auch da geht es ums Verstecken, um das Nichtgesehenwerden. Lange hält sich Regisseurin und Co-Autorin Julia Solomonoff jedoch zurück, wenn es um den letzten Punkt geht. Wir bekommen zwar vergleichsweise früh mit, dass Nico schwul ist. Aber es reicht nur für schnellen, anonymen Sex, der nicht weiter thematisiert wird.

Allgemein hält sich der LGBT-Anteil in Grenzen, wird nur später etwas wichtiger. Zu erzählen hat die argentinische Filmemacherin zuvor aber auch schon so einiges. Über Rassismus zum Beispiel. Dass Nico mit seinen blondierten Haaren und seiner hellen Haut nicht dem gängigen Bild eines Latinos entspricht, dass kann im einen Moment von Vorteil sein, wenn er unbehelligt durch die Stadt radelt, in besagten Supermarktszenen ohne Beachtung stiehlt, er auch ohne Visum in New York bleibt, ohne dass es jemandem auffallen würde. Gleichzeitig verbaut es ihm den Weg zu den Latino-Rollen im Kino, die dann doch lieber das Klischee bedienen möchten. Für einen „echten“ Amerikaner hat der Soap-Star jedoch einen viel zu dicken Akzent, sitzt also zwischen zwei Stühlen.

Beiläufige Selbstsuche mit Stolpersteinen
Nobody’s Watching handelt dann auch sehr viel davon, nirgends wirklich hinzugehören, sich selbst zu suchen. Sich ausdrücken zu wollen, ohne dass ihm jemand Beachtung schenkt. Die findet er allenfalls auf dem Spielplatz, wenn er sich mit dem Sohn der Freundin beschäftigt, als einer der wenigen Männer. Denn auch das bedeutet, Vorurteilen ausgesetzt zu sein. Viele dieser Szenen sind eher beiläufiger Natur. Anstatt einen Handlungsstrang konsequent zu verfolgen, ist das Drama lediglich ein chronologischer Einblick ins Leben. Das geht mal in die eine Richtung, mal in die andere. Was im einen Moment noch bedeutsam für den weiteren Verlauf wirkt, taucht später nicht mehr auf.

Das mag für den einen oder anderen wie ein Manko erscheinen. In diesem speziellen Fall ist die Ziellosigkeit der Geschichte jedoch nicht zwingend verkehrt, passt sie doch ganz gut zum Herumschlingern eines Protagonisten, der mangels eines Plan B irgendwie gar nichts mehr auf die Reihe bekommt. Tatsächlich sind es eher die Momente, wenn Nobody’s Watching konkret wird, in denen Schwächen offensichtlich werden. Solomonoff gelingt es nicht so recht, die fließende Natur ihres Films mit den beabsichtigten Wendepunkten in Einklang zu bringen, da wird es mitunter etwas holprig und ein bisschen zu direkt. So als würde sie dem Publikum unterstellen, selbst nicht so ganz zuzusehen und daher wichtige Punkte zu übersehen. Das hätte es gar nicht gebraucht, beißt sich mit der ansonsten eher entspannten Beobachtung. Sehenswert bleibt das Drama dennoch, erzählt von Sehnsüchten, vom Träumen, aber auch vom Flüchten und der harschen Erkenntnis, dass du gar nicht immer flüchten kannst und sich die wenigsten Leute für deine Träume interessieren. Nicht einmal in der Traumfabrik.



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Ein argentinischer Soap-Star träumt davon, mit einem seriösen Film in den USA richtig durchzustarten, nur um am Ende richtig zu scheitern. Von einigen etwas zu direkten Szenen abgesehen ist „Nobody’s Watching“ ein schön beiläufiges Drama, das von verpatzten Lebenszielen und Orientierungslosigkeit handelt, dabei aber noch eine Reihe weiterer Themen wie Vorurteile streift.
7
von 10