„Reggae Boyz“, Deutschland/USA, 2018
Regie: Till Schauder
Eine Schwäche für sportliche Underdoggeschichten scheint Till Schauder ja schon zu haben. Einige Jahre ist es her, dass der deutsche Filmemacher in den Iran reiste. Der Iran Job hießt der Dokumentarfilm über den US-Basketballspieler Kevin Sheppard, der die schwierige Aufgabe erhielt, eine iranische Mannschaft in die Playoffs zu führen. In Reggae Boyz wechselt er nun Sport, Land und Kultur, das Prinzip ist aber ähnlich: Erneut geht es darum, dass eine Sportmannschaft, der man so gar nichts zutraut, es allen zeigt und über sich hinauswächst.
Dieses Mal dreht sich alles um die jamaikanische Fußballnationalmannschaft, die unbedingt 2014 dabei sein wollte, als die Welt um den Meisterschaftstitel kämpfte. Es wäre das zweite Mal in der Geschichte des karibischen Inselstaates gewesen, dass man es immerhin in die Vorrunde schaffte – und das erste Mal seit der WM in Frankreich 1998. Dass es anders kam, ist kein großes Geheimnis: Die Spielpläne der Wettkämpfe in Russland werden schließlich bereits rumgereicht, um schon einmal Urlaub zu planen oder bürointerne Wetten abzuschließen. Jamaika scheiterte bereits an der Qualifikation. Das stellt natürlich schon irgendwo Sinn und Zweck von Reggae Boyz in Frage. Warum sollte man sich dann noch einen Dokumentarfilm über einen Weg anschauen, der nirgends hinführte?
Spielen darf auch Spaß machen
Die Antwort: Weil es Spaß macht. Weil es zu Herzen geht. Jamaika ist ja eines dieser Länder, die einem auch dann sympathisch sind, wenn man nie dort gewesen ist. Ein Land, in dem immer die Sonne scheint, die Leute entspannt sind, man alles locker angehen lässt? Das Land von Bob Marley? Da ist es praktisch schon egal, ob sie guten oder schönen Fußball spielen. Die Leidenschaft der Reggae Boyz, des ganzen Landes auch, wie es ihre Jungs auf dem Weg anfeuert, die ist ansteckend. Dabei sein mag nicht alles sein, in dem Fall ist es aber doch für eine Menge gut.
Die Fußballszenen sind eher knapp gehalten, beschränken sich auf einige wenige Schlüsselmomente während der Qualifikation, als es unter anderem gegen Costa Rica und die USA ging. Die sind durchaus elektrisierend, was teils an den knappen Ergebnissen lag, teils an den Jungs auf dem Platz. Schauder nimmt sich viel Zeit für das Drumherum, spricht von der Lage Jamaikas als Fußballland, vom Verband auch. Ansonsten folgt er seinem Landmann Winfried Schäfer, der auch auf die 70 Jahre zugehend nicht genug von seiner Arbeit als Trainer hat und dafür rund um den Globus reist.
Zwei Welten, ein Ball
Ein bisschen lebt Reggae Boyz dann auch von diesen kleinen Culture-Clash-Momenten, wenn deutsche Tugend auf jamaikanisches Lebensgefühl stößt. Ansonsten gibt es bei dem Beitrag des DOK.fests München 2018 die üblichen Durchhalteparolen und Teamgeistbeschwörungen. Die anderen mögen besser sein, so lange wir zusammenhalten, können wir aber alles schaffen – so die obligatorische Aussage.
Das ist jetzt nichts, was man nicht schon von anderen Sportgeschichten kennt, seien sie nun in Form einer Dokumentation oder als Spielfilm erzählt. Wären da nicht die Musik und die schönen Bilder, man wüsste gar nicht, in welchem Land man gerade ist, so wenig unterscheidet sich dieser Kampf von den anderen. Und doch macht er Lust auf mehr, Lust auf das Land, Lust auch auf die Weltmeisterschaft, Lust auf den Sport. Und wer weiß, vielleicht ist nach dem Jamaikaaus das letzte Wort auch noch nicht gesprochen: Nachdem Schäfer 2016 Jamaika den Rücken kehrte, trainiert er nun einen iranischen Fußballverein. Für Schauder wäre das nach Der Iran Job und Wenn Gott schläft ja fast schon wieder ein Heimspiel, wenn er auch dort mal vorbeischaute.
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